Theater der Zeit

„Hier spricht der deutsche Idealismus“

Die grauenhafte Unbedingtheit. Über den deutschen Linksextremismus und Die Maßnahme

von Willi Winkler

Erschienen in: Recherchen 143: Ist der Osten anders? – Expertengespräche am Schauspiel Leipzig (04/2019)

Bertolt Brecht steht am Anfang der RAF. Lassen Sie sich nichts vormachen, lassen Sie sich nichts erzählen von Studentenbewegung, Vietnam, Springer, Dritter Welt, Stadtguerilla, noch vor Terror und entsetzlicher Gewalt geht es in dieser furchtbaren Episode der Nachkriegszeit um Brecht. „Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?“, heißt es im ersten Manifest, mit dem sich die Baader-Befreiungs-Armee um Horst Mahler, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof im Mai 1970 von der übrigen Welt in den Untergrund verabschiedet. „Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?“, schreien die Freischärler frohgemut in die bürgerliche Welt hinaus, der sie den Gefangenen Andreas Baader entrissen haben. Der Vers stammt aus Brechts Lob der Dialektik, einem Gedicht aus einer Zeit mit einem ganz anderen revolutionären Überschwang.

Die Autorin dieser revolutionären Schrift, die ehemalige Pädagogik-Studentin Ulrike Meinhof, wird das Gedicht über eine Platte von Ernst Busch vielleicht schon bei ihren Besuchen in der DDR kennengelernt haben. „Nicht Marx und Engels überzeugten uns, sondern Brecht und Busch überzeugten hier eine ganze Generation“1, wie Klaus Rainer Röhl erzählt, der seine spätere Frau Ulrike Meinhof für die in Westdeutschland illegale KPD warb.

Beim Barrikadensänger Ernst Busch in Ostberlin hörten sie die Lieder,...

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