Wie funktioniert die Methode des gestischen Sprechens?
von Viola Schmidt
Erschienen in: Mit den Ohren sehen – Die Methode des gestischen Sprechens an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (04/2019)
Meine Kollegen Klaus Klawitter und Herbert Minnich haben den Begriff Gestus für die sprecherzieherische Praxis genutzt und daraus eine Methode für die Ausbildung von Schauspielstudierenden entwickelt, angewendet und durchgesetzt. Sie beschreiben die schauspielerisch-gestische Äußerung als „die unter Berücksichtigung der Situation motivierte, gesamtkörperlich vollzogene Äußerung“.12 Jede sprechsprachliche Äußerung ist für sie durch eine aus der psychophysischen Gesamtlage resultierende Körperspannung charakterisiert, die unmittelbar vor der Äußerung erzeugt wird. Diese gesamtkörperliche Bereitschaft zum Handeln mit Sprache löst eine entsprechende Sprechhaltung und Sprechspannung aus. Sprechen ist geistiges, intellektuelles sowie emotionales und physisches Handeln. Handlung ist Aktivität der Schauspieler innerhalb der Rolle und der Situation im Hinblick auf konkrete Handlungsziele. Aktivität im Sinne von Beschäftigung oder Tätigkeit ist noch keine Handlung, kann aber Ausdrucksmittel einer Handlung sein.
Der Begriff Handlung ist sowohl Element der Figur als auch der Fabel. Schauspieler stellen Handlungen der Fabel durch konkrete Handlungen der Figur dar. Die Figuren haben Handlungsmotive und Handlungsziele, die sich aus der Gesamtheit ihrer Beziehungen entwickeln lassen. Nennen wir die Gesamtheit dieser Beziehungen Einstellungen und meinen damit relativ konstante, habituelle Verhaltensdispositionen, die das Handeln und Erleben bestimmen, dann sind gesamtkörperliche Haltungen Ausdruck von Einstellungen. Körperliches Verhalten in konkreten Situationen, das sich aus dem Zusammenspiel biologischer und...