Theaterspielen als ästhetische Bildung
von Ulrike Hentschel
Erschienen in: Lektionen 5: Theaterpädagogik (10/2012)
Die Neudiskussion des Ästhetischen in den Geistes- und Sozialwissenschaften hat in den 1980er und 1990er Jahren – ausgehend von der propagierten „Aktualität des Ästhetischen“ im Gefolge postmodernen Philosophierens1 – zu einer Prominenz dieses Topos auch in der Erziehungswissenschaft und in den kunstvermittelnden Fächern geführt. Die viel diskutierte Diagnose einer umfassenden Ästhetisierung und ihrer Kehrseite, der Anästhetisierung aller Lebensbereiche, legte es nahe, sich mit diesen Argumentationsfiguren kritisch auseinanderzusetzen und ihre Implikationen für ästhetische Bildung zu reflektieren. Es galt dabei, die in den unterschiedlichsten Diskussionskontexten sehr weit gefassten und damit unscharfen Begriffe des „Ästhetischen“ und der „Ästhetischen Bildung“ für das Feld einer handlungsorientierten kunstvermittelnden Disziplin wie der Theaterpädagogik zu konturieren.
Vor diesem Hintergrund nimmt der Ansatz der ästhetischen Bildung innerhalb der Theaterpädagogik drei entscheidende Perspektivwechsel bzw. Markierungen vor, die im Folgenden zusammenfassend erläutert werden sollen:2
1. Er differenziert zwischen aisthetischer Bildung als einer Bildung der Sinne, der Wahrnehmungs- und Geschmacksfähigkeit angesichts alltäglicher Wahrnehmungsphänomene, und ästhetischer Bildung, die von den besonderen Bildungsmöglichkeiten der Auseinandersetzung mit Kunst ausgeht. Auch wenn beide Aspekte eng miteinander verknüpft sind, fokussiert der theaterpädagogische Ansatz ästhetischer Bildung den spezifischen Beitrag der Kunst des Theaters zur Bildung nicht-professioneller Akteure. Theaterpädagogik wird also von ihrem Gegenstand, vom Theater aus...