Frankreich
Tragisches Konzert
Über den klassischen Schauspielstil der Franzosen
Erschienen in: Theater der Zeit: Diskussionen ohne Grundlage (11/1946)
Eine der eigenartigsten Spiegelungen der Antike ist das französische Drama Corneilles und Racines. Das antike Drama bot den europäischen Künstlern nicht nur stofflich einen unausgeschöpften Vorrat, an dem sich deutend und verwandelnd die Zeiten darstellen; auch als Form wirkte die antike Tragödie. Wesentlich war dabei nicht der akademische Klassizismus, der sich in der Nachahmung erschöpfte; wesentlich war die lebendige Wirkung, die zu andersartigen, wieder neuen Gebilden führte. Die Tragödie schien Vorbild zu sein und war unendlich mehr. Der Kreis der Florentiner Renaissance-Liebhaber glaubte, das antike Drama zu erneuern, und fand die Oper. Aus Nachahmungen erwuchs schließlich das große Drama der französischen Rhetorik, das zugleich echter und wesensgemäßer Ausdruck des französischen Absolutismus wurde. In Deutschland entstand am Leitbild der Antike die so tief deutsche Leistung der Goetheschen „Iphigenie“.
Gemeinsam schwebte über all dem ein musikalischer Geist - der Geist des antiken Musikdramas. Er hat die Oper gezeugt, die einen weiten Weg ging und dann auch wieder musikdramatische Formen in ihr Wesen einbezog. Er hat im französischen klassizistischen Drama des 17. Jahrhunderts ein Kunstwerk geschaffen, das wie kein zweites mit den Mitteln der Sprache musiziert. Es ist erst vom Musikalischen her ganz zu begreifen und durch das Theater zu erfüllen. Gluck ist...