Musikalisierungsprozesse standen in den von mir beobachteten Produktionen einerseits im Zusammenhang mit der chorischen Arbeit am Text, die unterschiedliche Formen des Chorsprechens wie das synchrone Sprechen oder das polyphone Sprechen hervorbringt, andererseits im Zusammenhang mit der Entstehung musikalischer Sprachflächen, die hervorgebracht werden durch das Spiel mit den materiellen Bestandteilen gesprochener Sprache, wie mit dem Sprechrhythmus, der Sprechgeschwindigkeit und Pausengestaltung oder dem Stimmklang. Insbesondere die Probenprozesse von Claudia Bauer und Volker Lösch bringen mit den dort beobachteten Kompositions- und Musikalisierungsstrategien Erkenntnisse in Bezug auf eine musikalische Arbeit am Text hervor. Bevor diese Strategien anhand konkreter Beispiele aus den Probenprozessen beleuchtet werden, soll der Begriff der „Musikalisierung“ näher bestimmt werden.
5.1 Musikalisierung: eine Begriffsbestimmung
Unter dem Begriff „Musikalisierung“ sei in Anlehnung an David Roesner nicht ein Sammelbegriff für „Theater mit Musik“ oder ein reiner Vorgang der Formgebung verstanden, sondern ein Verfahren, das die Materialität theatraler Kommunikation in ihrer Musikalität wahrnehmbar macht und das musikalische Potential von Sprache, Geräusch oder Bewegung ausstellt (vgl. Roesner 2003, 34 f.). Zudem ist laut Roesner von einer Musikalisierung im Theater dann zu sprechen, wenn diese in der Inszenierung sinnfällig ist (vgl. Roesner 2015a, 10).
Während z. B. jede Inszenierung „rhythmisch“ ist, da sie Ereignisse in der Zeit...