Gefangen in einem Glaspalast ringt die Kolcherin Medea um ihr Leben. Jason, der Held und Argonaut, hat sie aus ihrem zerfallenden Land entführt und ins reiche Korinth gebracht. Dort aber findet sie keine Heimat: „Ich bin Medea, die Zauberin, wenn Ihr es denn so wollt. Die Wilde, die Fremde. Ihr werdet mich nicht klein sehen.“ Größe und Erhabenheit dieser starken Frauenfigur in der Mythologie hat Christa Wolf in ihrem Prosatext „Medea. Stimmen“ 1996 radikal umgedeutet. Da ist sie nicht länger die Furie, die ihren Bruder und die eigenen Söhne tötete und dann die Tochter des Königs Kreon, die neue Frau ihres untreuen Mannes, vergiftete, wie das Euripides 431 vor Christus in seiner Tragödie vorgab. Diese Medea darf Mensch sein. Die Karlsruher Schauspielchefin Anna Bergmann hat den vielstimmigen Text als politisch scharfkantiges Spiel um Macht inszeniert.
Die gläserne Bühnenkonstruktion von Jo Schramm bannt Medea in eine enge Zelle. Durch Scheiben ist sie von den anderen Menschen getrennt. In Zeiten der Pandemie spiegelt diese Setzung die Isolation, unter der alle leiden. Schramms Zellen nehmen den Menschen die Möglichkeit, sich zu berühren. Allein die Sprache ist ihnen geblieben. Doch die Korinther zu verstehen, das fällt Medea schwer. Nicht nur ihr schwarzes Haar und...