Kunsttheater als Sonderfall
Erschienen in: Recherchen 114: Fiebach – Theater. Wissen. Machen. (06/2014)
I
Zu behaupten, ich hätte gewusst, worauf ich mich einließ, als ich mich (mehr vom Namen angelockt als vom Wissen, worum es tatsächlich gehen würde – und wofür es womöglich einmal zu gebrauchen wäre) am Beginn meines Studiums auf der Suche nach dem obligatorischen zweiten Hauptfach in einem Studiengang mit dem verheißungsvollen Namen Theaterwissenschaft/Kulturelle Kommunikation einschrieb, wäre glatt gelogen. Nach einem Blick ins Vorlesungsverzeichnis stellte ich überrascht fest, dass das, was ich bis dahin für Theater gehalten hatte – Schauspieler (manchmal auch Puppen), die meistens in Rollen (nicht immer, zuweilen schienen sie auch „nur“ sich selbst darzustellen) auf einer Bühne (oder in alten Fabrikhallen) agierten – die Theaterwissenschaft nur am Rande zu interessieren schien, von einigen wenigen einführenden Veranstaltungen abgesehen.
Nicht, dass mich die Veranstaltungen zu Theaterpraktiken in (für meinen Horizont) entlegenen Gegenden der Welt, zur Entwicklung der audiovisuellen Medien, zu Ritualen und Festen, die ich in den folgenden Jahren besuchte, nicht auch interessiert und fasziniert hätten. Aber worin der Mehrwert der Beschäftigung mit diesen Dingen für mich, dem eine akademische Karriere wohl ziemlich sicher verschlossen bleiben würde und dem das Kunsttheater, um einen Begriff Joachim Fiebachs zu verwenden, als Berufsperspektive verlockender erschien, bestehen könnte, habe ich erst allmählich begriffen....