Vier Generationen im Gesellschaftsumbruch
von Bruno Flierl
Erschienen in: Selbstbehauptung – Leben in drei Gesellschaften (05/2015)
Meine wichtigsten persönlichen Beziehungen zu anderen Menschen auf dem Weg in mein Leben als Bundesbürger waren die, die ich in meiner Zeit als DDR-Bürger schon hatte, Menschen, die mir nahestanden und mit denen ich mich verstand, schon vom Sinn der Worte her, die wir wechselten, wenn wir uns über die alte und die neue Zeit Klarheit verschaffen wollten. Das waren in erster Linie meine Kinder und Kindeskinder und meine Mutter. Wir alle, Menschen einer Familie in vier Generationen, mussten auf je eigene Weise unseren Weg von der DDR in die Bundesrepublik suchen und finden.
Meine Tochter Anne erlebte den Übergang in die Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Literaturgeschichte (ZIL) der Akademie der Wissenschaften der DDR, wo sie die Leitung der interdisziplinären Rezensionszeitschrift Referatedienst zur Literaturwissenschaft innehatte. In dieser Funktion blieb sie, als das Institut 1992 im Rahmen der den Osten Deutschlands flächendeckend überziehenden Evaluierungsprozesse von der Förderungsgesellschaft wissenschaftliche Neuvorhaben m.b.H. übernommen wurde und 1996 in das Zentrum für Literaturforschung Berlin überführt wurde – bis die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Jahr 2000 kein Geld mehr aufbringen wollte oder konnte, um diese Arbeit zu fördern, und Anne in die Arbeitslosigkeit entlassen wurde. Zum Glück erhielt...