Das Paradox der offenen Gesellschaft
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Das Gespenst des Populismus – Ein Essay zur politischen Dramaturgie (01/2017)
Das Ideal des liberalen Demokraten ist spätestens seit John Rawls’ „Theorie der Gerechtigkeit“ eine eingehegte, vernünftige Form des Machtausgleichs. Politik wird hier vor allem als ein Bereich verstanden, in dem innerhalb der bestehenden Normen und Gesetze an der Perfektionierung des Bestehenden gearbeitet wird. Politik basiert auf Rechten, die auf eine Verfassung gegründet sind, und ist auf keinen Fall mehr die Regierung des Ausnahmezustands.
Der große Andere allen politischen Handelns, wie Slavoj Žižek es wohl nennen würde, ist das Verfassungsgericht, das wie vormals das Jüngste Gericht die letzte Instanz ist, vor der sich die bürgerliche Vernunft zu verantworten hat. Der öffentliche Gebrauch der Vernunft folgt dabei Regeln, die vor jeder politischen Entscheidung schon gegeben sind. Ihre Implikationen liegen in dem, was man das biopolitisch regierte Subjekt nennen könnte: Es ist rational, es kann sein Begehren in verallgemeinerbare Forderungen kleiden und es ist vernünftigen Argumenten zugänglich. Ein solches Musterbild des bürgerlichen Subjekts ist die Schablone, in die sich jedes öffentliche Sprechen einzufügen hat. Bedient das öffentliche Sprechen andere Register der Rhetorik oder der Gefühle, wird es populistisch genannt, da es offensichtlich mit seiner Ansprache eine Instanz im Volk erreicht, die von den liberalen Diskursen nicht erreicht wird.
Die einfache Definition des Populismus,...