Es gibt Figuren der Theaterliteratur, die uns in ihrer rätselhaften Abgründigkeit immer wieder fesseln. Johan Simons, Regisseur und Intendant des Bochumer Schauspielhauses, bringt sie auf die Bühne. Erst Sandra Hüller als Hamlet, dann Steven Scharf als Woyzeck – und nun Jens Harzer als Iwanow. (Pierre Bokma als König Lear folgt Ende April.) Mit „Iwanow“ hat Anton Tschechow ein modernes Urbild der Melancholie geschaffen – und des Mangels in Form von Schulden, Krankheit, unerfüllter Liebe und unerträglicher Langeweile. Für die Inszenierung wurde eigens eine Neuübersetzung bei Angela Schanelec in Auftrag gegeben. Ein großes Ensemblestück für ein großartiges Ensemble. Ganze vier Stunden wird die Kunst des Zusammenspiels gezeigt, ohne an Intensität zu verlieren.
Nachdem sich ächzend der eiserne Vorhang hebt, sieht man Jens Harzer auf einem Stuhl sitzend. In der Bühnenmitte liegt Iwanows kranke Frau Anna, gespielt von Jele Brückner. Für die Bühne hat Johannes Schütz das Gerüst eines Quaders geschaffen – wie ein goldener Käfig ohne Gitterstäbe. Und an der Brandmauer ein übergroßes Regal, das Requisiten und Kostüme aufbewahrt. Neben abgestorbenen Ästen sind zahlreiche Stühle über die Bühne verteilt, das zentrale Requisit. Eine gesetzte Gesellschaft, es sind die liberalen Bürger auf dem Lande, keine Ausgestoßenen im Nachtasyl. Es geht darum, den...