Quell 11: Die europäische Aufklärung
von Gotthard Feustel
Erschienen in: Lektionen 7: Theater der Dinge – Puppen-, Figuren- und Objekttheater (10/2016)
Das Lumpenproletariat der Kunst
Das mittelalterliche Weltbild, aus dem das Puppenspiel zumindest stofflich hervorgegangen war, begann unter dem wachsenden Einfluß der europäischen Aufklärung immer deutlicher ins Wanken zu geraten. Das Spannungsdreieck Gott – Mensch – Teufel, jene Denkweise, die das Universum in Himmel, Erde und Hölle sektorierte, wurde durch die Schriften Isaac Newtons und Gottfried Wilhelm Leibniz’ aus den Angeln gehoben.
Nun war nicht länger von der Unergründlichkeit göttlicher Ratschlüsse, sondern von der Erkennbarkeit der Welt die Rede. Der Teufels-, Hexen- und Zauberglauben des Mittelalters hielt nicht mehr länger jener starken Strömung stand, die auf die geistigen Kräfte des Menschen vertraute und die verherrlichte, was einst als lasterhaft galt, nämlich Geschichte nicht als vorgezeichneten, sondern als gestaltbaren Prozeß zu begreifen. Dank des Wirkens von John Locke in England, von René Descartes, Voltaire und Jean-Jacques Rousseau in Frankreich, von Johannes Kepler und Christian Thomasius in Deutschland wurde immer mehr gläubige Abhängigkeit durch die Selbstbestimmung des Menschen im Denken ersetzt. Sie und viele andere präsentierten sich als Nachfahren jener „Riesen an Denkkraft“, die die Renaissance hervorgebracht hatte.
Und immer wieder: Bauch statt Kopf
Während solchermaßen Europa geistig in Bewegung geriet, verharrten die Puppenspieler auf der gemütvollen Einfalt Genovevas, auf dem vor der...