Lehrstückspiel als Gegenstand der Friedensforschung
von Reiner Steinweg
Erschienen in: Lektionen 5: Theaterpädagogik (10/2012)
Historische Friedensforschung: Zur politischen Bedeutung gesellschaftlicher Gewaltbewertung
Im Rahmen der historischen Kriegsursachenforschung – ein Zweig der in den 1950er Jahren begründeten Friedensforschung – kam der Militärhistoriker Wolfram Wette zu der Einsicht, dass es zu den Wahlerfolgen der Nationalsozialisten seit 1929, mithin zum Zweiten Weltkrieg und in seinem Gefolge zum Holocaust, nicht gekommen wäre, wenn die deutsche Bevölkerung ein anderes Verhältnis zur Gewalt gehabt hätte. Gewaltverherrlichung war in der Weimarer Republik ein für alle Bevölkerungsschichten und Parteien charakteristisches Merkmal.1 Selbst die SPD meinte, den Wettlauf mit den Braunen in der Zurschaustellung von militärischem Machtgepränge und Gewaltbereitschaft in Form von paramilitärischen Einheiten durch ein rotes „Reichsbanner“ aufnehmen zu müssen und gewinnen zu können. (Ein fataler Irrtum, der sich heute, in anderem Gewand, im Verhältnis zu den rechtspopulistischen Parteien vielfach zu wiederholen scheint.) Verbrechen wie die Ermordung eines Politikers oder der Versuch, die Verfassung mit Gewalt außer Kraft zu setzen, waren zwar strafbar, zogen aber nur Festungshaft, d. h. „Ehrenhaft“ nach sich, wenn sie keine „niedrigen“ Beweggründe wie persönliche Bereicherung hatten, sondern in der Überzeugung stattfanden, damit dem Wohl des Ganzen zu dienen.
Zehn Jahre nach dem Ende der Weimarer Republik war daraus in Himmlers Diktion geworden: „Wir hatten das moralische Recht,...