Die Wut der Täter
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Wendungen: Wutkultur (08/2021)
Die Wut, die keinen Weg in die Welt findet, vergiftet den Menschen. Aus diesem Gift entsteht das Ressentiment. Das Leben hält für jeden von uns zahlreiche Kränkungen bereit und setzt dem Wollen permanent Widerstände entgegen. Es bietet unzählige Anlässe, wütend zu sein, und ebenso viele Blockaden, warum diese Wut nicht geäußert werden kann. Die Angestellte, die jeden Arbeitstag einen Chef erdulden muss, der seinen Launen freien Lauf lässt, weil er sich so besser fühlt, muss einen Weg finden, diese Übergriffe wegzustecken. Ihre Wut nimmt sie in den allermeisten Fällen mit nach Hause, wo sie dann versuchen muss, nicht sich selbst oder ihre Familie damit zu vergiften. Ihre Rachefantasien, geplanten Kündigungen oder Streitereien sind die Symptome ihrer Selbstvergiftung.
Diese Kränkungen wiederholen sich im gesellschaftlichen Maßstab auf allen Ebenen der Hierarchie. Und in der modernen Konsumgesellschaft bestehen die Kränkungen oft aus dem Vergleich der unterschiedlichen Geldbeutel und des geglückten Lebens. Der andere hat immer das teurere Auto, den tolleren Sex und den besseren Job. Und im globalen Maßstab erscheint das Leben im reichen Norden Milliarden Menschen im globalen Süden als Hoffnung und Kränkung zugleich.
Der Mensch ist das Tier, das sich vergleicht. Und er hat eine Seele, die durch diesen Vergleich unglücklich...