Merkel muss weg! Aber aus anderen Gründen, als Sie glauben
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Das Gespenst des Populismus – Ein Essay zur politischen Dramaturgie (01/2017)
An einem strittigen Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit kann die Wirkungsweise des liberalen Populismus gut erkannt werden. Wie hat es eine CDU-Bundeskanzlerin geschafft, dass ihre Politik seit dem Herbst 2015 als links bewertet wird?
Der Spin konnte funktionieren, weil alle politischen Orientierungen inzwischen auf einer doppelten Wahrheit beruhen, die mit dem Begriff der Postpolitik oder der Postdemokratie bezeichnet werden. Das Kennzeichen einer solchen Regierung ist, nicht wie Herrschaft zu wirken. Und die beste Tarnung besteht darin, biopolitische Regulierungen des Alltags vorzunehmen, die den Prämissen der Identitätspolitik folgen, und gleichzeitig Entscheidungen zu treffen, deren ökonomische Interessen als notwendige Folge von Sachzwängen verkleidet werden.
Die Besonderheit der Merkelschen Politik besteht darin, dass biopolitisch verständliche und pragmatische Regeln formuliert werden, während auf der Seite der ökonomischen Interessen eine antisoziale Politik gemacht wird. Die öffentliche Verwunderung, dass die CDU eine immer linkere Politik macht, ist der Ausdruck dafür, dass dieses Doppelspiel gut zu funktionieren scheint. Man sagt europäische Einheit und betreibt eine Austeritätspolitik, die die meisten Mitgliedsländer in eine Schuldenkolonie der deutschen Wirtschaft verwandeln. Man sagt Willkommenskultur und verschiebt das Problem der Migration an die Grenzen von Europa, von wo die hässlichen Bilder die moralischen Deutschen weniger erreichen. Man sagt Modernisierung der Gesellschaft und...