Ja, es gibt tatsächlich einen Richter in der Münchner Uraufführung von Elfriede Jelineks NSU-Drama: Der Schauspieler Thomas Schmauser in entsprechender Robe ruft die Prozessbeteiligten auf. Nach Zeugen, Anwälten und Angeklagten hält man jedoch vergebens Ausschau. Und daher: Nein, ein herkömmliches Gerichtsdrama hat die österreichische Nobelpreisträgerin natürlich nicht geschrieben. Aber gut, dass Elfriede Jelinek Rollenspiele zwischen Richterstuhl, Zeugenstand und Anklagebank ausformulieren würde, war wohl auch nicht zu erwarten gewesen. Ebenso wenig, dass sie mit dem NSU kurzen Prozess machen würde. Über 220 Seiten umfasst dieses Textflächendrama, der von der Autorin gewohnte sprechanfallartige Fließtext. Johann Simons und sein Dramaturg Tobias Staab haben eine Zweistundenfassung herausdestilliert und die verbleibende Textmasse auf acht Schauspieler verteilt.
Es beginnt mit einem Prolog: Der Schauspieler Stefan Hunstein schleppt eine mit dem bedeutungsschweren Wort „Heimaterde“ etikettierte Holzkiste auf die Bühne und echauffiert sich über die vielen, „die nichts hören, nichts sehen, aber alles wissen“ wollten. Leider redet er sich darüber dermaßen in Rage, dass einem auch als Zuschauer Hören und Sehen vergeht. Hinterher weiß man daher nicht bloß nicht alles, sondern rein gar nichts mehr von dem, was da an einem vorübergerauscht ist.
Anschließend kehrt Ruhe nach dem Sprachsturm ein. Verhaltener als gewohnt entfacht Jelinek ihre Wortwirbel, und...