Hinter einem Gitterzaun laufen Flüchtlinge in Jogginganzügen auf und ab. Unsichere Blicke verraten ihre Angst. Regisseur Wojtek Klemm siedelt Sophokles’ Tragödie „Antigone“ am Luzerner Theater in einem Umfeld an, das für viele Asylsuchende Wirklichkeit ist. Für den deutsch-polnischen Regisseur ist Sophokles’ Tragödie über die verzweifelte Kämpferin Antigone, die ihren Bruder trotz des Verbots in der Erde seiner verlorenen Heimat begräbt, hochaktuell. In Theben, das einst sein Vater Ödipus und später Polyneikes selbst regierten, hat Kreon den Kampf um die Macht gewonnen – und verboten, Polyneikes, den zum Feind gewordenen Neffen, zu bestatten.
Klemm interpretiert den Mythos als Metapher für die Unfähigkeit der Schweizer, jenseits eigener politischer Konflikte die Nöte der Flüchtlinge zu sehen oder sich als Teil des Systems Europa zu begreifen. Der Tunnelblick führt in die Isolation. Noch ist die Volksabstimmung über das Einwanderungsgesetz in aller Munde. Das neutrale Land versagt im Umgang mit „Fremden“. Asylsuchende dürfen in etlichen Kantonen nur in Begleitung ihrer Betreuer ins Schwimmbad. „Sensible Zonen“, die das Bundesamt für Migration festlegt, sind tabu.
In Mascha Mazurs betonkaltem Bunker, den Neonröhren und Lautsprecher eingrenzen, sind die „Fremden“ immer präsent. Es sind Asylsuchende, die bei Luzern leben. Klemm, der mit radikalem Körpertheater Klassiker hinterfragt, holt die Ausgesperrten...