Magazin
Geschichten vom Herrn H.: Männergift und Schniedelkritik
von Jakob Hayner
Erschienen in: Theater der Zeit: Russian Underdogs – Victoria Lomasko und Kirill Serebrennikov (03/2020)
Männer und Frauen, das war auch angesichts der diesjährigen Auswahl des Theatertreffens wieder Thema. Erstmals wurde die Vorschrift, mindestens die Hälfte der Regisseure müsse weiblichen Geschlechts sein, zur Anwendung gebracht. Stolz wurde allerorten die Planübererfüllung gerühmt. Doch gibt es prinzipielle Zweifel, die nicht ausgeräumt sind: Neben dem irritierenden Fokus auf die Regie kommt die Quotierung einer Auswahl von bemerkenswerten Inszenierungen einer nachträglichen Entlastung gleich. Das ist symptomatisch für den vorherrschenden Abzählfeminismus, der sich kaum um die allgemeinen Zwänge schert, Hauptsache, von jeder Art ist jemand repräsentiert. Eine Arche Noah des liberalen Bürgertums, während drum herum die Welt untergeht. Der Vorteil: Die schal gewordene Ideologie, dass es in dieser Gesellschaft doch noch jeder und jede schaffen kann, wird aufpoliert. Nur leider stimmt es nicht.
Gesellschaftliche Krisen mit bösen Männern zu erklären hat zurzeit Konjunktur. Sei es als intime Selbstentblößung oder plakative Anklage. Oder weinerliche Selbstkritik. In einem Programmheft ist zu lesen: „Theater, Repräsentationskultur, eine Kultur von Männern für Männer entworfen und gepflegt. Ein Autor (Mann, tot), ein Intendant (Mann), ein Regisseur (Mann), ein Dramaturg (Mann).“ Besser kann man Frauen gar nicht aus dem Theater und der Welt streichen. Kritik ist doch am schönsten, wenn man weiter nur über sich selbst reden...