Skript-basiertes Theater
Erschienen in: Recherchen 155: TogetherText – Prozessual erzeugte Texte im Gegenwartstheater (12/2020)
I. Ein Paradigmenwechsel
Es ist im August 2013, dass ich zum ersten Mal durch die große Installation gehe. Ausgestattet mit einem iPad werde ich durch eine mit zwölf Türen versehene Ansammlung von Räumen geschickt, sehe dabei auf dem Tablet einen Film der Umgebung, in die ich eintrete, und folge dem, was das Gerät, das dabei gewissermaßen meine Charaktermaske wird, mir vorschreibt. Es bestimmt meine Rolle im folgenden Spiel, gibt mir vor, wo ich stehe, wohin ich gehen, was ich ansehen soll. Wenn ich eintrete, dann führt mich der vorgeschriebene Weg zunächst durch mehr oder weniger labyrinthisch anmutende Treppen und Gänge zu einem ersten Raum: ein Zimmer mit Kochnische, Tisch, Couch und Sessel. Eine kleinbürgerliche Stube, an den Wänden einige Fotos, auf dem Boden billiges Spielzeug, auf dem Herd ein Topf mit Borschtsch. Weiter geht es zu einem Raum, der als Cockpit eines Hubschraubers bezeichnet wird – und später auch noch anders. Ich werde noch an den Arbeitsplatz einer Rüstungsfabrik geführt, zu einem Hobby-Schützen, außerdem zu einem leidenschaftlichen Kriegsgegner, der in einer kleinen, von einer großen Rüstungsfirma dominierten Stadt aufgewachsen ist. Ich durchlaufe auch einen Schießplatz, schaue in einen Behandlungsraum, in dem gerade eine Wunde operiert wird, hole mir einen Mantel...