Als Einar Schleef am 21. Juli 2001 in Berlin starb, begann die eigentliche Phase der Erschließung seines Werks aus Theaterinszenierungen, erzählender und essayistischer Prosa, Tagebüchern sowie Malerei, Zeichnungen und Fotografie. Die Herausgeberin des Gesprächsbands „Vor dem Palast“, Corinne Orlowski, Jahrgang 1990, ging zu diesem Zeitpunkt noch zur Schule und dürfte wohl den Nachruf von Elfriede Jelinek mit dem bald berühmt gewordenen Diktum vom „Genie Schleef“ damals noch nicht gelesen, geschweige denn eine seiner stets heftig umstrittenen Inszenierungen gesehen haben. Jetzt zitiert sie im Vorwort als Erstes aus diesem Nachruf. Insgesamt 23 Künstler, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Mitarbeiter, Theaterwissenschaftler und mit der Pflege von Schleefs künstlerischem Nachlass Betraute hat sie befragt – ein wahrhaft breites Spektrum, aber ohne das geht es bei Schleef auch nicht. Für die Gespräche mit so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Jürgen Holtz, Claus Peymann, Bibiana Beglau und Martin Wuttke mag ihr die langjährige Arbeit in einer Schauspielagentur und bei den Berlinale Talents eine gute Schule gewesen sein, während ihr Studium der Literatur und Ethnologie sie Methoden lehrte, wie man das Feld eines Künstlers über dessen unmittelbare Produktion hinaus erforscht.
Das Buch ist ein mustergültiges Beispiel für Theatergeschichte als oral history, in der Erfahrungen und Ansichten zusammengetragen werden, die...