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Erschienen in: Letzter Vorhang (05/2017)
Candice holte die Erinnerung zurück.
Es begann auf Rügen. Im Mai vor zwei Jahren. Nach den Aufführungen des Letzten Bandes stürmten wir in die heimeligen vier Wände des Panteleit, um uns der Lust unserer bedürftigen Körper zu überlassen, und tagsüber überließen wir uns ihr am Strand.
Anstatt in Göhren zwischen den Ruinen des Pionierlagers nach Reminiszenzen aus jener Zeit herumzustochern, als es noch den Ehrennamen Etkar André trug, kehrten wir zurück in die Binzer Dünen, mit Sandkojen unter dem Hafer. Strandläufer und Möwen waren unsere einzigen Zeugen.
Am dritten Tag schlug sie vor, das Denkmal, wie sie es nannte, zu besuchen, von dem sie im Internet gelesen hatte und das sich demzufolge in der Nähe befinden müsse.
Sie nahm meine Hand und da lag sie vor uns: die kilometerlange Küstenbebauung, Wiederholung gigantischer Leere, die sich beim ersten Hinschauen sofort mit Gerüchen und Bildern füllte, als seien unterdessen nicht dreißig Jahre vergangen. Das widerwillig suchende Auge entdeckte magere Graffitikraxel auf dem unverändert graubraunen Rauputz, hilflose Versuche, den Näherkommenden über die bedingungslose Kapitulation vor der Vergangenheit hinwegzutrösten. Rissige Betonplatten führten durch denselben struppigen Kiefernbestand, der uns einst den freien Blick auf die See verwehrt hatte. Die Zunge rutschte glücklicherweise in den Hals,...