Einleitung
Erschienen in: Recherchen 171: Nebenfiguren (11/2024)
Keine Nebenfigur ohne Konstellation. (Was umgekehrt nicht zutrifft, da die elementaren Konstellationen von Protagonisten und Antagonisten, Chor und Einzelfigur, Göttern und Menschen durchaus ohne Nebenfiguren auskommen.) Nebenfiguren existieren in Konstellationen, das heißt: in Abstand und Nähe zu den Hauptfiguren, in größerer oder geringerer Dichte, in diversen Formen der Verteilung und Gruppierung, in Funktionen, die sie auf je spezifische Positionen versetzen (und von dort aus in Bewegung); stets unter den Bedingungen eines Auftritts, dem das Verschwinden der Nebenfigur bereits eingeschrieben ist.
Die folgenden Beiträge untersuchen die szenografischen, dramaturgischen, choreografischen, logistischen, akzidentellen Rahmenbedingungen, unter denen sekundäre Figuration vonstattengeht. Zwischen Unübersichtlichkeit und Intelligibilität, zwischen intendierter und nicht intendierter Auffälligkeit, zwischen Momenten der Störung oder Fehlleistung, in denen die Nebenfigur punktuell bemerkbar wird, und den langen Phasen, in denen sie bei voller Sichtbarkeit weitgehend unbeachtet bleibt, entwickelt sich ein Spektrum von Fallstudien, das den Konditionen des marginalen Auftritts gewidmet ist.
So identifiziert Alexander Streitberger die Panoramen des 19. Jahrhunderts als aufwendig produzierte Szenarien der Unübersichtlichkeit, in denen die Aufgabe der Zentralperspektive zu einem Nebeneinander von Haupt- und Nebenfiguren führt, die ohne »Orientierungshilfe« (Streitberger) nicht zu identifizieren und nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind. Besteht ein entscheidender Effekt der Zentralperspektive darin, neben der idealen Position...