1.1. Quevedos Großes Weltgericht
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)
Zunächst also die Körper im Hochbarock Quevedos und im satirischen Harmagedon, das in den »Sueños« entfesselt wird. Zwar inszeniert Quevedo das Gottesgericht des Jüngsten Tages explizit nur im ersten der insgesamt fünf Träume, dem »Sueño del Juicio Final«. Der Modus einer finalen Abrechnung liegt letztlich aber auch den anderen »Sueños« zu Grunde, die sich im Kern deswegen auch kaum voneinander unterscheiden: Allesamt geben sie sich als, durchaus redundante, satirische Aufzählung von Berufsständen und Charaktertypen zu lesen, über die ein Verdammungsurteil nach dem anderen herabfährt. Im zweiten Traum ist es ein Teufel, der, in einem besessenen Büttel steckend, eine lange »Predigt« hält und diverse Sündenregister aufzählt, im dritten Traum unternimmt der Erzähler selbst einen Höllengang und geht in parodistisch gewendeter Dante’scher Tradition Sünder um Sünder ab, im vierten begegnet er einem Alten, der sich als »Trugfeind« entpuppt und Sünden und Strafen mittels allegorischer Figuren auflistet, und im letzten, längsten Stück gerät der Träumer ins Totenreich, wo sich die Anlage des Höllengangs noch einmal wiederholt.
Unschwer kann die Vorstellung eines Jüngsten Gerichts – die ja auch dem fünften Akt von »Maß für Maß« zugrunde liegt – als Vorstellung einer vollständigen, reinen Manifestation des göttlichen Auges bzw. des Visuellen interpretiert werden: Es ist...