12.2.3 Charaktere außerhalb des Klischees
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Manche Figuren sind durch die erlebte Wirklichkeit und durch kulturelle Wiederholung dermaßen in unser Gedächtnis gefräst, dass sie zum Klischee geformt wurden, dem man nur schwer entweichen kann: Die besorgte Mutter, der schwule Modedesigner, der strenge Boss, …
Solche Klischees eins zu eins auf der Bühne zu darzustellen, bringt einem zwar ab und zu einen Lacher, aber man hat die Kunst betrogen und damit letztlich sich selbst. Das Problem ist nämlich, dass die Klischees ja scheinbar funktionieren, weil sie eine Entsprechung in der Wirklichkeit haben. Die Herausforderung für uns liegt darin, sich der Wahrheit anzunehmen, ohne in die KlischeeFalle zu tappen. Das ist umso schwieriger, als wir unsere Charaktere sofort erschaffen müssen.
Wieder liegt die Lösung darin, spezifisch zu sein. Wir umarmen die Archetypen und vermeiden die Stereotypen.76 Und die Stereotypen vermeiden wir, indem wir unseren Charakteren spezielle Verhaltensweisen geben. Die besorgte Mutter kann zart wie eine Elfe oder grob wie ein Bär sein. Der mächtige, bedrohliche Boss (in seiner Gestalt als Schuldirektor, Richter, Chefkoch) kann sich cholerisch oder melancholisch verhalten. Der Tollpatsch bewegt sich vielleicht wie dein bester Freund, aber eben derart ins Extreme getrieben, dass es tölpisch wirkt.
Auf diese Weise würzen wir die Archetypen mit konkreten...