Seit nunmehr zwanzig Jahren hat die Insel Hiddensee ein Theater, das man getrost zu den kleinsten deutschen Bühnen zählen kann. Es mögen wohl nur 120 Quadratmeter sein, die sich Zuschauer, Bühne, Bühnentechnik, Ausschank und Garderobe teilen müssen. Vielleicht kein großes Vergnügen, könnte man meinen, sich an heißen Sommertagen dort einzufinden. Hat man aber erst einmal diese mit viel Liebe eingerichtete Spielstätte betreten, wird man großzügig dafür belohnt. So auch in „Moby Dick“, Herman Melvilles vielschichtigem Meisterwerk, das in der Jubiläumssaison als einer der bedeutenden Mythen der Moderne hier in einer wunderbar kurzweiligen Fassung präsentiert wird.
Wie ein mehrere hundert Seiten füllendes Werk auf nicht einmal sechzig Minuten reduziert wird, zeigt Holger Teschke (Buch und Regie), indem er sich auf das Wesentliche beschränkt. Unaufgeregt nimmt die Geschichte ihren Lauf. Menschliches Elend, Überdruss, Zivilisationskrankheit – Motive, die auch Hiddensee einst zu einem Sehnsuchtsort werden ließen – treiben Ismael an Bord des Walfängers hinaus auf die See. Und ganz wie von den Menschen auf Hiddensee lässt sich auch der Zuschauer vom rauen Ton und den derben Späßen der Mannschaft schnell einfangen. Ein gediegenes Spiel voller raffinierter Einfälle. Und wer bis dahin glaubte, sich als zuschauender Voyeur in Sicherheit zu wiegen, wird schnell eines...