Vorübungen und Improvisationen
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Lektionen 4: Schauspielen Ausbildung (12/2010)
Assoziationen: Schauspiel
1. Vorübungen
Am Anfang jeder Schauspielausbildung steht die Mobilisierung des Spieltriebs. Wie jeder Mensch von sich weiß, ist das spontane Agieren auf Kommando eine paradoxe Anstrengung. Man sollte nicht so neurotisch veranlagt sein wie Woody Allen, der hierzu meinte: „Wenn mir jemand sagt, sei spontan, bekomme ich sofort Starrkrämpfe.“ Doch auch der spielfreudigste Mensch kennt Situationen, in denen ihm seine Lockerheit und Spontaneität erfrieren. Die Erwartung der Zuschauenden, das strenge Auge der Eltern, Lehrer und Autoritäten und der eigene Anspruch können hier schnell zu einer Belastung werden, die Verkrampfungen und Blockaden auslöst. Dieses alles ist Alltag für den Schauspieler. Eine Ausbildung wird auf die Weckung, Förderung und Stabilisierung des Spielvermögens größte Aufmerksamkeit legen. Der Spieltrieb tritt beim Schauspielen in einer doppelten Funktion in Erscheinung. Zum einen ist damit das Vermögen des Menschen gemeint, spontan und unkontrolliert innerhalb eines bestimmten Rahmens handeln und sich ausleben zu können. (Siehe Kapitel 2 Theaterspielflow) Zum anderen ist das Schau-Spielen eine einstudierte Tätigkeit, die vor Publikum stattfindet, um dieses zu unterhalten, zu berühren, zum Nachdenken zu bringen etc. Das Schauspielen ist kein Selbstzweck, der darin bestünde, ein angenehmes Gefühl während des Spielens zu erreichen, sondern es ist ein darstellendes Handeln. Wenn das Spielvermögen trainiert wird,...