Zwischen Projekt und Institution. Die Finanzierung der Freien Spielstätten
von Eva Behrendt
Erschienen in: Andere Räume – Die Freien Spielstätten in Berlin (04/2021)
2010 suchten der Regisseur Dirk Cieslak und die Dramaturgin Annett Hardegen einen „Realraum“ für ein Theaterprojekt. Cieslak, einer der Mitbegründer der Sophiensæle Mitte der 1990er Jahre, wo seine Theatergruppe Lubricat bis in die nuller Jahre aufgetreten war, entdeckte ein Ladenlokal im Zentrum Kreuzberg. Der 130-Quadratmeter-Raum im 1969 von Wolfgang Jokisch und Johannes Uhl entworfenen Sozialwohnungsbau mit seinen 250 Wohnungen und 90 Läden am Kottbusser Tor war mit seinen vier fetten Betonpfeilern in der Mitte für eine Theatersituation denkbar ungeeignet – also genau richtig. „Wir sind es gewohnt, in Situationen zu arbeiten, in denen man sich arrangieren muss“, sagt Cieslak. Aus dem Projekt wurde ein „Theater nach dem Projekt“, wie die Spielstätte Vierte Welt sich mittlerweile programmatisch bezeichnet. Der Versuch, sich als Ort zwischen Kunst und Politik selbst zu verwalten und zu behaupten, feiert Ende 2020 seinen zehnten Geburtstag.
Tatsächlich stand „das Projekt“ lange Zeit im Zentrum der freien darstellenden Künste, und in gewisser Weise tut es das immer noch. Projektbezogenes Arbeiten meint, dass Kunst ohne den Druck, die Fesseln und Kompromisse, aber auch ohne die Sicherheiten eines Apparats wie am Stadt- oder Staatstheater entstehen kann. Für die Kulturpolitik hieß das lange Zeit, dass sie nur das Projekt zu fördern brauchte,...