Magazin
Die Gespenster, die wir riefen
Mark Fisher: Das Seltsame und das Gespenstische. Edition Tiamat, Berlin 2017, 176 S., 18 EUR.
von Chris Weinhold
Erschienen in: Theater der Zeit: Der Knick im Kopf – Theater und Migration (12/2017)
„Kapitalistischer Realismus“, diesen Begriff hat Mark Fisher geprägt. Er beschrieb damit den Niederschlag des Neoliberalismus im Bewusstsein der Menschen: Untergang der Utopien und Verlust des Zugangs zur Vergangenheit – eine Schleife aus reiner Gegenwart. In „Gespenster meines Lebens. Depression, Hauntology und die verlorene Zukunft“ schrieb der Essayist, anknüpfend an Jacques Derridas „Marx’ Gespenster“, über die Elemente einer versprengten Zukunft und vereinte Philosophie und Kulturtheorie in einer biografischen Offenheit, die auch vor der eigenen Depression nicht haltmacht. Depressionen aufzuschließen, als gesellschaftliches Phänomen und nicht schlicht individuelles Schicksal, ist ebenso die Grundlage für die nun postum erschienene Essaysammlung „Das Seltsame und das Gespenstische“ von Fisher, der sich Anfang dieses Jahres das Leben nahm.
Das Gespenstische verortet Fisher in den „Kräften, die unseren Alltag regieren, die aber normalerweise verborgen sind“, und es zeigt sich dann, „wenn entweder etwas da ist, wo nichts sein sollte, oder wenn nichts da ist, wo doch etwas sein sollte“. Das sind gesellschaftliche Ordnungen, die die Menschen wie Naturgewalten herumwerfen, durch sie hindurch wirken und selbst nicht in Erscheinung treten. Dagegen zeichnet sich das Seltsame dadurch aus, dass es eine Brücke schlägt zwischen „unserer und einer fremden Welt“, eine „überwältigende Präsenz, ein Gewimmel, das wir nicht mehr zur Darstellung...