Merkmale eines performativen Umgangs mit dem Text
Beobachtungen aus der Probenprozessforschung
von Julia Kiesler
Erschienen in: Recherchen 153: Wer bin ich, wenn ich spiele? – Fragen an eine moderne Schauspielausbildung (03/2021)
Ausgangspunkt
Das zeitgenössische Theater bringt Umgangsformen mit Texten und gesprochener Sprache hervor, die eine veränderte Perspektive auf Prozesse des Darstellens und Sprechens auf der Bühne ermöglichen. Um diese Veränderungen methodisch aufzuarbeiten und für die Schauspielausbildung nutzbar zu machen, habe ich an der Hochschule der Künste Bern zwischen 2014 und 2017 ein Forschungsprojekt durchgeführt, das sich der Beobachtung verschiedener Probenprozesse widmete.
Untersucht wurde der Erarbeitungsprozess von Texten innerhalb von fünf verschiedenen Probenprozessen. Ich habe u. a. Arbeitsweisen unter die Lupe genommen, die keine realistische Spiel- und Sprechweise hervorbringen, sondern sich einer performativen Spielpraxis zuordnen lassen. Das Ziel meiner Untersuchung war es, Ansätze der Textarbeit, wie sie heutzutage in der Theaterpraxis zum Einsatz kommen, exemplarisch zu beschreiben und methodisch als »performative Ansätze der Textarbeit« herauszuarbeiten.1
Außerdem bin ich der Frage nachgegangen, vor welchen Herausforderungen auch unsere Studierenden angesichts einer performativen Spielpraxis stehen werden und welche Rückschlüssedaraus für die Schauspielausbildung und Sprecherziehung zu ziehen sind.
Für die Untersuchungen habe ich mich ins Feld der Probenprozessforschung begeben und die drei folgenden Probenprozesse teilnehmend beobachtet.
Untersuchungsgegenstand
1.Workshop des Regisseurs Laurent Chétouane zum Thema Shakespeare-Sonette mit Masterstudierenden des Fachbereichs Theater an der Hochschule der Künste Bern,
2.Probenprozess zur Inszenierung Biedermann und die Brandstifter von...