Theater der Zeit

Ökonomie der Verausgabung

Georges Bataille

von Hans-Thies Lehmann

Erschienen in: Recherchen 12: Das Politische Schreiben – Essays zu Theatertexten (10/2012)

Das Obszöne

In der verwahrlosten Bibliothek findet, nach dem Tod des Vaters, der Ich-Erzähler des obszönen Textes MEINE MUTTER hinter staubbedeckten Büchern einen Stoß obszöner Fotos, die ihn einweihen in das erregende und abstoßende Geheimnis des Sexus, des Zeugens. Nur notdürftig verhüllte der Staub das jetzt gelüftete Geheimnis der stickigen Trödelkammer. Nach dem Tod des (Gott-)Vaters liest das freie und verlassene Menschenkind in dem hinterlassenen hieroglyphischen Text aus Unrat; Schmutz, Alkoholflaschen, Schrift und Bildern; es ist nicht ein Kind des Gesetzes, des Ehebunds, sondern animalisch triebhafter Verausgabung. Pierre muss sich von der aller Scham hohnsprechenden Realität des Verworfenen, Tierischen überzeugen. Beim Öffnen des Fensters fliegen im hereinfallenden Sonnenlicht Motten auf, Tod und Fäulnis schwängern die Szenerie. Der organische Körper wird erahnt als Ort einer namenlosen Lust und der letzten Verausgabung: Fall in die Sterblichkeit. Pierre verfällt dem Anblick der schändlichen und die Sinne verwirrenden Bilder. Die Erregung, die ihn ergreift, bedeutet bei Bataille in jedem Sinn eine Er-Öffnung. Einer Ohnmacht nahe vor Schwäche, öffnet sich der Körper seinem Verfall. In seinem »unfreiwilligen inneren Umsturz« geht dem Sohn eine bis dahin verschlossene Möglichkeit auf: zu einer unaussprechlichen Kommunikation, jenseits des Gesetzes, mit der Mutter.

Batailles Pierre verliebt sich in...

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