Gegenwart I – Das Material, das Ereignis, die Naht
von Markus Joss
Erschienen in: Lektionen 7: Theater der Dinge – Puppen-, Figuren- und Objekttheater (10/2016)
Durch welche Linse schauen wir heute auf das breite Spektrum an Erscheinungsformen eines Theaters, das ganz auf die Dinge setzt? Bewusst wird hier nicht auf die Bezeichnungen Puppen-, Figuren-, Objekt- und Materialtheater zurückgegriffen, um einzelne künstlerische Strategien gegeneinander abzugrenzen. Unternähme man jedoch den Versuch, die Begriffe inhaltlich zu konturieren, käme man nicht umhin, die Diskussionen der frühen 1990er Jahre zu rekonstruieren. Sie waren geprägt von einer Differenzerfahrung zwischen „West“ und „Ost“ und – bei allem argumentativen Bemühen und Redlichkeit in der Sache – war dieser Diskurs immer auch einer über Abgrenzung der Märkte und Angst vor Bedeutungsverlust.
Die Zuschreibungen Puppen-, Figuren-, Objekt- und Materialtheater finden sich in der Praxis als Ergänzungen, quasi im Untertitel der jeweiligen Namen der Theatercompagnien. Fragt man nach, welche Programmatik sich darin spiegelt, ist der erste Impuls der der Relativierung der Begriffe. Es scheint, als habe hier etwas seine Kraft eingebüßt und die „Szene“ sei es leid, einen Diskurs lediglich entlang dieser Begriffe zu führen.
Erst allmählich finden die „Puppen-, Figuren-, Objekt- und Materialtheatermacher“ zu einer Sprache, deren Gebrauch den Zugang zu den aktuellen Kunstdiskursen ermöglicht und einen Dialog über die eigene Szene hinaus befördert. Zu den Schlagworten „Intermedialität“, „bodily turn“, zu „postdramatischem“ oder „immersivem Theater“,...