Die Uraufführung von Schillers „Die Räuber“ vor gut 230 Jahren in Mannheim war bekanntlich ein Skandal, diese Aufführung heute ist eher ein freudiges Ereignis, aber sicher für manchen auch gewöhnungsbedürftig. Aber die Theatergeschichte lehrt uns, dass noch jede Generation sich die alten Stücke für ihre Zeit zurechtgebogen hat. Erwin Piscator zum Beispiel hat 1926 dem Spiegelberg, hier wird er nur erwähnt, eine Trotzki-Maske verpasst. Und bei Frank Castorf traten 1990 die Räuber Moors als Moorsoldaten auf. Das war nicht als Kalauer gemeint, aber als Hinweis auf die aktuelle politische Relevanz des Stücks. Unsere heutige Inszenierung am Maxim Gorki Theater folgt vermutlich zwei Prämissen. Die erste könnte lauten: Schillers „Räuber“ ist ein schlechtes Stück. Jeder Theaterwissenschaftsstudent im ersten Semester würde bestätigen, gäbe man ihm das Stück ohne Titelblatt zur Prüfung, dass hier dramaturgisch geschludert wurde. Die zweite Prämisse könnte lauten: Schillers „Räuber“ ist ein tolles Stück. In seiner Diplomarbeit würde unser Student nämlich bündig beweisen, welch tolle, starke, gegensätzlich ausgeprägte Charaktere der junge Dichter hier geschaffen hat. Nämlich:
„Zwei Extremisten – des entfesselten Idealismus der eine, des hemmungslosen Materialismus der andere. So sind die ‚Räuber‘ die grandiose Kopfgeburt eines Mediziners, der mit philosophischen Ideen literarisch experimentiert.“ Der letzte Satz ist –...