Wir zeigen lieber den „Figaro“ nochmal
von Milo Rau und Frank Meyer
Erschienen in: Die Enthüllung des Realen – Milo Rau und das International Institute of Political Murder (11/2013)
Frank Meyer / Milo Rau
Frank Meyer Sie lassen Breiviks Gerichtsrede lesen von einer deutsch-türkischen Schauspielerin, einer Frau, einer Deutsch-Türkin, auch um da noch einmal eine Distanzierung hineinzubringen?
Milo Rau Genau, zum einen, um eine Distanzierung hineinzubringen, zum anderen, weil ich von Breivik weg will, mich interessiert dieser Mensch in diesem Moment nicht. Ich bin der Meinung, dass es noch zu früh ist, sich mit ihm als Mensch und mit seiner Tat zu befassen – das dauert wohl immer länger –, es ist aber drängend, sich mit seiner Ideologie zu befassen.
Meyer Und es gibt diesen Text und sonst nichts, es gibt keine Zusätze, keine Einordnungen, keine anderen Texte? Man könnte sich ja vieles dazu vorstellen – es gibt nur den nackten Text?
Rau Bevor es jetzt ins Lichthauskino verschoben wurde, gab es vorher und nachher noch Texteinspielungen und es war vom Sounddesign her vielleicht ein bisschen aufwendiger, aber im Kern ist das tatsächlich nur die Verlesung eines Textes. Mehr nicht.
Meyer Es gab schon am Montag eine Anders-Breivik-Premiere in einem anderen Theater in Kopenhagen. Der Regisseur Christian Lollike hat dort Auszüge aus dem Manifest, diesem über 1000-seitigen Text von Anders Breivik, auf die Bühne gebracht. Und warum er, dieser...