»Ein besseres Haus«
von Falk Strehlow
Erschienen in: Recherchen 154: Klassengesellschaft reloaded und das Ende der menschlichen Gattung – Fragen an Heiner Müller (01/2021)
»Das Proletariat ist keine Position der Unschuld, sondern die Auflehnung gegen die Tatsache, dass es im Kapitalismus keine Unschuld gibt«, schreibt Luise Meier 2018 in ihrer MRX-Maschine.1
So wie bei Meier das »Proletariat« zwar von Marx aus gedacht wird, aber in konsequent erweiterten Referenzfeldern agiert, so wird es auch bei Müller auf die Dynamiken von Vergangenheit und Zukunft, von sozialistischem Realismus und Mythologie, von Ökonomie und Gemeinschaft, von Leben und Sterben auf bewohnbarer Erde – auf die Dynamiken von Ich und Wir – erweitert und ebenso mit Unreinheit und Schuld attribuiert. (Nichts hat Heiner Müller mehr gehasst als die Idee der Unschuld.) Wenn es in dem vorliegenden Tagungsband um die auf Müllers Bühnen auftretende »Klasse« geht, so kann es nur sowohl um ihre ›schmutzigen Hände‹ als auch um ihren historisch-fragwürdigen ›Auftrag‹ gehen. Doch vor allem richten wir hier unseren Blick auf die Frage: Was ist das: Klasse?
Fast drei Jahrzehnte bevor der Begriff der »Intersektionalität« – der mehrdimensionalen Diskriminierung – geboren wird, stellt Heiner Müller die Interdependenzen und Überkreuzungen von Herkunft, Geschlecht und Eigentum auf die Bühne. Gleich drei dieser sich überkreuzenden und verstärkenden Formen des Anders-Seins in einem männlich paternalisierten »Leben auf dem Lande« trägt sein Stück von 1961 bereits im Titel: »Die Umsiedlerin« – nicht von hier ÷ Frau ÷ besitzlos/(noch) ohne Boden (und schließlich auch noch schwanger). Das sind die sich multiplizierenden Eigenschaften dieser prototypisch-›fremden‹ Heiner-Müller-Figur NIET.
Von nun an werden die Wechselwirkungen unterschiedlichster Faktoren von Aus-Grenzung Müller nicht mehr loslassen. Einige wenige Titel, Figuren und Chiffren sollen hier umreißen, in wie vielgestaltiger Weise diese miteinander verwickelten Faktoren in seinem Werk agieren und ein multisektional verwobenes Textil des Ein- und Ausschließens hervorbringen: PHILOKTET, der den Maximalwert von Krieger und Körperdefekt gleichzeitig figuriert, wird zur Störgröße in einer auf reibungslose Kriegsführung getrimmten Gemeinschaft und (bis auf weiteres) auf einer Insel entsorgt. In Inge und Heiner Müllers Weiberbrigade/Weiberkomödie werden Geschlechterdifferenz und (Arbeiter-)Klassenbezug überkreuzt, so dass die (vermeintliche) Überwindung der Klassengrenzen in einem ›Einklassenstaat‹ mit der (vermeintlichen) Überwindung der Geschlechtergrenzen korreliert; Emanzipation tritt hier als multifaktorieller Vorgang in Erscheinung. Zementist ein Revolutionsstück: Müller parallelisiert die historische Revolution von 1917 mit der Revolution des Familienlebens; der wahre Held dieses Revolutionsstückes ist derjenige, der sich von dem privaten Eigentumsanspruch des historischen Helden emanzipiert – er ist eine Sie. Der Auftrag führt uns mit seinen Intermedien schmerzlich vor Augen, wie Rassismus, Sklaverei und Kolonialismus – wie eine das Kapitalozän bestimmende Klassendynamik – mit der Auftrags-Lage des Heute, Hier und Morgen verstrickt sind. Müllers Medea-Komplex zeigt auf, wie sich die Abhängigkeiten von Herkunft, Gesellschaft und Klasse mit der Geschlechterabhängigkeit verschränken. Und so ist auch das Schlussbild in Müllers Hamletmaschine eine Allegorie für diese polyvalent wirksamen Behinderungen: »Ophelia im Rollstuhl«, die von »zwei Männern in Arztkitteln […] in Mullbinden«2 gefesselt wird. Des Weiteren gehören die folgenden Müller’schen Paradigmen hierher: »Prinzip Auschwitz« (in seinen Gesprächen nach 1989), »Ich bin ein Ausländer« (über die Zeit vor der Befreiung vom deutschen Faschismus) sowie seine »Dankrede des Büchner-Preisträgers« Die Wunde Woyzeck (adressiert an seine Preisverleiher in Darmstadt 1985).
All diese Ausdrucksformen veranschaulichen, welche Durchdringungen und Überlagerungen bestehen zwischen ökonomischer Klasse, Ethnizität, Geschlecht, »Rasse«/Hautfarbe, generationeller Abhängigkeit3, Soziotop, geopolitischer Herkunft, Bildungshintergrund, Weltanschauung, Habitus, kulturtechnischer Konditionierung etc.; zudem machen diese Verflechtungen vor allem eines deutlich: dass die Engführung des Begriffs der Klassen auf ihre ökonomische Bestimmung die Wirksamkeit von Klassismus keineswegs bekämpft, sondern sein Wirken noch begünstigt. Denn so wie Andreas Kemper und Heike Weinbach in ihrer Einführung zum »Klassismus«-Begriff 2009 darlegen: »Die Reduktion von ArbeiterInnen-, Arbeitslosen- und Armenbewegungen auf ökonomische Diskurse ist eine Strategie der Einpassung in die kapitalistischen Verhältnisse.«4
Bei seinen Literarisierungen von Abhängigkeiten richtet sich Müllers Blick auf den jeweiligen Zusammenhang aus Grund und Folge; vielfältige Grundierungen seines Denkens sowie ein Weiter- und Immer-weiter-»Denken« hinein in einen noch »leeren Raum«5 halten den Text – das Textil – zusammen: Heiner Müller befragt einen Zusammenhang aus Abhängigkeitsverhältnissen, der sich durch den neoliberalen Spin seit den 1970er-Jahren als ein Auseinander-Hang performt. Müller sucht einen Zusammenhang zu veranschaulichen, der sich aus einer Denktradition speist, die bei August Bebel, Clara Zetkin, Rosa Luxemburg ihren Anfang nimmt, die von Angela Davis zu Mumia Abu-Jamal und (bei all den Diffamierungen und Instrumentalisierungen) bis zur Bewegung der »Gelbwesten« reicht.
Dieser Zusammenhang ist kein additiver; er stellt sich als Multiplikation her. Mit den Überschriften heutiger emanzipatorischer Bewegungen ließe sich – im Sinne von Heiner Müller – sagen: Black Lives Matter × Working Lives Matter × Female Lives Matter × Foreign Lives Matter × Sick Lives Matter × Future Lives Matter (nicht nur am Freitag oder auf einem Selfie mit Greta Thunberg) × Poor Lives Matter × LGBTQIA* Lives Matter × Children’s Lives Matter × Refugees’ Lives Matter × Handicapped Lives Matter × Homeless Lives Matter × Violence victims’ Lives Matter … Human Lives Matter.
Die von der Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe unlängst ausgesprochene Forderung hinsichtlich der »Errichtung einer neuen Hegemonie […, der] Radikalisierung der Demokratie« besteht in der »Knüpfung einer Äquivalenzkette zwischen den Forderungen der Arbeiter, der Einwanderer und der vom Abstieg bedrohten Mittelschicht sowie anderer demokratischer Forderungen, etwa derer der LGBT-Gemeinde.«6 Um diese Verknüpfung zu ermöglichen, bedarf es einer Kenntlichmachung der wirkenden Klassendynamiken. Die Kenntnis dieser Dynamiken ist die Grundlage der »Verankerung in dieser Kette«7. Das »Knüpfen« einer »Kette« ist nur wirksam als ein ineinander Verwoben-Sein; eine separierende Aneinanderreihung bringt da gar nichts. Die Verknüpfung – oder um ein altmodisches Wort zu gebrauchen: die Solidarität – der »Ketten«-Glieder untereinander kann nur gelingen, wenn die ineinander verflochtenen Klassendynamiken nicht aus dem Blick geraten.
Der Klassen-Begriff führt zu einer Sichtweise, die das Verhältnis zwischen struktureller Überlegenheit/Übermacht und Knechtung/Erniedrigung/Unterdrückung kenntlich macht; diese Perspektive verhandelt das Verhältnis auf der vertikalen Achse von unten und oben. So läuft die Betrachtung nicht Gefahr, einer momentan wirksamen Tendenz zu erliegen, welche die Wahrung der Interessen einzelner Gruppen mehr und mehr oben aushandelt. Klassismus – Vorurteile und Diskriminierungen aufgrund sozialer Klassen – ist ein Vorgang, der sich wesentlich gegen ›niedrigere‹ Klassen, also von oben nach unten, auswirkt. Somit richten sich Anti-Klassismus-Bestrebungen gegen die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, in denen sich das Eintreten für unterschiedliche Interessen aus der Vertikale in die Horizontale verschoben hat.8
Karl Marx und Friedrich Engels formulierten in ihrem Manifest den Klassen-Auftrag folgendermaßen: PROLETARIER ALLER LÄNDER VEREINIGT EUCH! Heiner Müller erweitert diesen Auftrag in seinem Theaterstück Der Auftrag drastisch, superlativisch, provokativ; dort heißt es in einer für Müller typischen Deutlichkeit: »Neger aller Rassen …«9 Immer wieder macht Müller mit drastischen Formulierungen auf einen Handlungsbedarf aufmerksam – einen Handlungsbedarf in einer Welt, in der man die Dritte Welt als »globalen Süden« bezeichnet, in der der Kriegsminister »Verteidigungsminister« genannt wird, einer Welt, in welcher derjenige, der seine Arbeit gibt, als »Arbeitnehmer«, und derjenige, der sich die Arbeitsleistung nimmt, als »Arbeitgeber« gilt. Diese (Um-)Benennungen sind vor allem wohltuend für die Betreffer; von den Betroffenen lenken sie ab.
Und so lautet ein Diktum für Heiner Müllers »Wahrheits«-Findung in dem von ihm literarisierten Muster der »unreinen Wahrheit«: »Tödlich dem Menschen ist das Unkenntliche.«10
Den »unreinen Wahrheiten« auf der Spur trafen sich am 10. und 11. September 2019 14 Gesprächsteilnehmer zu einem Werkstattgespräch im Literaturforum im Brecht-Haus in Berlin. Mit unterschiedlichen Herkünften, Ausdrucksformen, Beweggründen näherten wir uns dort der Frage: Was ist das: Klasse? Diese 14 verschiedenen Fragerichtungen hatten eines gemeinsam: Es waren Fragen an Heiner Müller. Und als solche liefern sie den Untertitel unseres Tagungsbandes: »Klassengesellschaft reloaded und das Ende der menschlichen Gattung – Fragen an Heiner Müller«. Das Gespräch – unser (produktiver) Streit – wurde bis 2021, bis zum Erscheinen dieses Sammelbandes, fortgeführt – und liegt nun (gleichsam als vorübergehender Boxenstopp) hier vor.
Das Welt-Klima-Theater, Müllers Bauern, Klassenbewusstsein, die neoliberale Universität, der Selbstmord der menschlichen Gattung, Müllers Mythosrezeption, das Verhältnis zwischen Individuum und Kollektiv, Genderproblematik und Klassismus-Begriff, auch eine Zeitreise in theaterpraktische Gefilde zu Müllers Lebzeiten, eine Buchvorstellung, Legitimität und Illegitimität von Gewalt, menschliches Kapital, Klassen- und Gattungs-Selbst-Wahrnehmung: All das waren Themen unseres Gesprächs; das waren die Überschriften, unter denen wir unterschiedliche Richtungen einschlugen bei dem Versuch einer Beantwortung der Frage nach dem Begriff der »Klasse« – der Frage: Was bedeutet »Klasse« bei Müller, welche Rolle spielt sie in seinem Theater, welche Funktion hat sie in seinem Denken, wie sprech-handelt die (Denk-)Figur der Klasse in Heiner Müllers Werk?
Ob wir einer Antwort auf diese Frage nähergekommen sind oder nicht, das möge der Leser/die Leserin unseres Tagungsbandes entscheiden. Eines kann jedoch gleich vorweggenommen werden: Eine Frage ist das nicht; unser Werkstattgespräch legt(e) eine Fülle weiterer Fragen frei, affiziert(e) unbequeme Fragen und heftigen Widerspruch. Und wir sind zuversichtlich, dass auch die (möglichen) Antworten auf diese noch offenen Fragen weiterhin fragwürdig sind.11
Bei aller Offenheit der sich ausweitenden Fragen und Antworten und Fragen hat sich im Verlauf unseres Werkstattgesprächs doch so etwas wie ein Zusammenhalt herausgebildet; ein sich allmählich konturierendes Referenzfeld nahm seine Gestalt an. Dabei kristallisierten sich drei gedankliche Schwerpunkte – drei Begriffs- oder Bedeutungsfelder – heraus. Immer wieder kamen wir auf das Verhältnis dieser drei Größen zueinander zu sprechen, immer wieder tauchten sie in ihrem gegenseitigen (widersprechenden) Aufeinander-bezogen-Sein auf: Ich ÷ Wir ÷ Gattung.
»Gegen das Interesse Einzelner, insofern es dem Interesse Aller schadet, und für das Interesse Aller, ohne einen Einzelnen auszuschließen.« So lautet der »communistische« Leitspruch, der jeder Ausgabe des von Wilhelm Weitling in den 1840er-Jahren herausgegebenen Hülferufs vorangestellt ist.12 Oder in den Worten des Philosophen und Kulturwissenschaftlers Robert Pfaller aus dem Jahre 2020 gesprochen: »Erst indem alle ihren persönlichen Ärger klein halten, kommen sie überhaupt in die Lage, sich über das zu ärgern, was sie klein hält.«13
Diese Formeln mögen hier einen ersten Anhaltspunkt geben für das Spannungsfeld zwischen ›Individuum‹, ›Gemeinschaft‹ und ›Allen‹, aus dem heraus wir den Begriff der »Klasse« befragten, aus dem sich ein Verhältnis der drei Größen zueinander heraus schälte – als ein Verhältnis zwischen Individuum und Klasse, zwischen Klassengesellschaft und klassenloser Gesellschaft, zwischen Gattung und Individuum und Klasse – als Verhältnis von Ich und Wir und Wir-Alle, Ihr und Wir, Ich und Du.
Ein Ergebnis der Gesprächsbeiträge unserer Werkstatt bestand darin, dass dieses hier angedeutete Verhältnis der vorerst nur vage bezeichneten Größen zueinander in den Texten Heiner Müllers keineswegs eine gesicherte Ordnung aufweist. Wie eine Klasse mit dem Individuum umgeht, wie das Individuum mit der Klasse und wie beide mit der Gattung – wer wen ›erniedrigt, knechtet, verlassen oder verächtlich macht‹ – zeigt uns Müller als ein Bündel sich widersprechender Stränge, als ambiges Geflecht. Unterschiedlichste Abhängigkeiten voneinander, Überkreuzungen, Verzweigungen und Mehrdimensionalitäten, lose miteinander verbunden und schonungslos verdichtet: das sind die Charakteristika eines Müller-Textes. Und so sieht man dessen Beschaffenheit deutlich seine Wortherkunft, die Herkunft des Wortes »Text« an: Müllers Schreiben ist Textilproduktion.
Grund und Richtung von Heiner Müllers Schaffen sind die miteinander verwobenen Klassendynamiken – die Dynamiken eines Klassenbegriffs polyvalenter Klassen –; es sind die Konflikte zwischen Jenseits und Diesseits ihrer Grenzen. Die Grenzen zwischen den Klassen verlaufen durch Länder, Individuen14, Märkte; sie kartographieren unsere geopolitische Welt mit ihren bunten und weißen Flecken; sie regulieren, wer in Berlin-Mitte an einer Vernissage in einer Galerie vorübergeht, wer reingeht, wer bei EDEKA einkauft, wer davor mit einem Plastikbecher sitzt und wer einkaufen lässt; sie bestimmen über Teilhabe/Teilnahme und Ausgrenzung; und sie verlaufen – nach dem Konzept der Selbstähnlichkeit – auch durch »die Klasse« selbst. Die Selektion, die »den Planeten mit Treibstoff versorgt«15, bestimmt, wer drin ist, wer draußen. Oder in einer heutigen Wortwahl gesprochen: Die globale Triage im Kapitalozän bestimmt das. Diese Bestimmungen sind Müllers Sujet; sie sind das Thema unseres Werkstattgesprächs von 2019; sie sind der Gegenstand dieses Büchleins.
Unser Tagungsband bildet im Umgang mit diesem Gegenstand einen ergebnisoffenen, kontrovers geführten Gesprächsverlauf ab; dieser ist widersprüchlich und fragwürdig. Je nach der Präsupposition unserer jeweiligen Lektüre, je nach deren historischer Perspektivierung in Richtung Vergangenheit, Zukunft, Gegenwart, je nach Richtung des jeweiligen Interesses an Müller zeichnet sich unser Buch durch die Verschiedenheiten der in ihm vertretenen Lesarten aus. Und es befindet sich damit in guter Gesellschaft, denn ein Heiner-Müller-Stück ist ein »zu verschiedenen Zeiten [an verschiedenen Orten, im Hinblick auf verschiedene Beweggründe] anderes Stück«, wie das Marianne Streisand sagen würde.16
Heiner Müller: zu verschiedenen Zeiten ein anderer Autor? In den letzten Jahrzehnten ist sowohl in seiner theatralen als auch in seiner akademischen Rezeptionsgeschichte der Blick auf die Klassendynamik in den Hintergrund geraten. Diese Verschiebung zuungunsten einer Wahrnehmung von Klassendynamik in Müllers Werk ist nun ihrerseits eine Dynamik, in der unterschiedliche Klassenzugehörigkeit als unterschiedliche Deutungs- und Diskurshoheit wirkt. Sie bestimmt, was drin ist, was draußen. Auffällig an diesem ja eigentlich trivialen Befund – jede Lesart verschiebt sich in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Kontextualisierung – ist jedoch, dass gerade in den Aneignungs- und Verbreitungsprozessen von Heiner-Müller-Material (bei dem es einer enormen Kraftanstrengung bedarf, um diese Dynamiken zu übersehen) diese Verschiebung in exponierter Weise wirksam ist.
Seit Malcolm X’ berühmter Rede Message to the Grass Roots von 1963 ist für das Denken über Klassen-, »Rassen«- und Herkunftsdynamiken seine prominente Unterscheidung zwischen »Haussklave« und »Feldsklave« richtungsweisend. Im Gegensatz zum »Haussklaven« hasst der »Feldsklave« seinen Herrn. Aus diesem Hass – aus seinem Verlangen nach der Überwindung des Verhältnisses zu seinem Herrn – bezieht der »Feldsklave« seine Bestimmung: seinen Auftrag.
In Müllers Stück Der Auftrag sagt die Figur SASPORTAS über das Klassenverhältnis in unserer einen Welt: »Solange es Herren und Sklaven gibt, sind wir aus unserm Auftrag nicht entlassen.« Heiner Müllers SASPORTAS und Malcolm X’ »Feldsklave« haben denselben Text – SASPORTAS: »Sklaven haben keine Heimat«17, »Feldsklave«: »Jeder Ort ist besser als das.«
Der »Haussklave« von Malcolm X sagt: »Wo gibt es ein besseres Haus als hier?«18