In Ibsens Vorlage ist es der Befreiungsschlag der Titelfigur, in Timofej Kuljabins Inszenierung in der Schiffbau-Box des Zürcher Schauspielhauses wird es zum absurden Sarkasmus, wenn Nora zu Torvald sagt: „Fällt es dir nicht auf, dass wir beide (…) heute zum ersten Mal ernst miteinander reden?“ Denn das Paar, das sich in „Nora oder Ein Puppenheim“ (in Zürich heißt es: „Ein Puppenhaus“) in den Beziehungsabgrund manövriert, spricht hier fast gar nicht mehr miteinander. Die Kommunikation beschränkt sich auf den Austausch von Kurznachrichten per Whats-App oder Facebook-Messenger.
Selbst der Schlüsseldialog, wenn Nora aus ihrem Puppenheim ausbricht und Mann und Kinder verlässt, beschränkt sich auf wenige gesprochene Sätze. Über den Sohn Ivar hinweg findet der Dialog rasch auf dem Smartphone seine Fortsetzung. Die Blicke starr auf die kleinen Bildschirme gerichtet, die großformatig live auf die mächtige Betonwand über der breiten Panoramabühne projiziert werden (Ausstattung Oleg Golovko). So wie es die ganze Zeit zuvor schon geschah.
Der russische Regisseur Kuljabin ist ein Theatermacher mit einem tiefen Misstrauen gegenüber dem Sprechtheater. Im Interview im Programmheft bezeichnet er das Deklamieren eines Stücktextes als „langweilig und veraltet“. 2016 ließ er bei den Wiener Festwochen Tschechows „Drei Schwestern“ in Gebärdensprache spielen – und die Zuschauer den Text auf...