Musizierendes Berlin
Johannes Schüler
Erschienen in: Theater der Zeit: Surrealismus und was man dafür hält (12/1946)
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1894 wurde ich geboren. Mit sechs Jahren erhielt ich durch meinen Vater, der Organist war, den ersten Klavierunterricht, mit acht Jahren Geigenstunde und die ersten musiktheoretischen Unterweisungen. Als ich zwölf Jahre alt war, schickte mich mein Vater auf das Joachimsthalsche Gymnasium in Berlin. Jeder Musikunterricht unterblieb. Ich half mir selbst und wurde Autodidakt, sehr zum Verdruß meiner Lehrer und meiner Eltern, die über den ‚unverbesserlichen' Sohn oft recht betrübt waren.
Nach dem Abiturium wollte ich Musiker, Komponist, werden; meine Eltern aber wünschten einen ‚sicheren' Beruf, etwa einen, der auf meiner natürlichen mathematischen Begabung basierte. So wurde ich 1912 Student der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg und komponierte ‚nebenher'. Im vierten Semester entstand eine symphonische Tondichtung für großes Orchester, die ich Leo Blech vorlegen durfte. Er riet meinem Vater, mich unbesorgt Musik studieren zu lassen. So erreichte ich mein langersehntes Ziel. Ich studierte auf der Hochschule für Musik in Charlottenburg Komposition bei Prof. Juon, Klavier bei Prof. Moldenhauer, Orgel bei den Professoren Otto Becker und Walter Fischer, später Direktion bei Professor Krasselt. Der Krieg unterbrach mein Studium, aber 1920 wurde ich in die Praxis entlassen.
Meine Operntätigkeit führte mich über Gleiwitz, Königsberg/Pr., Hannover, Oldenburg i. O., Halle, Essen (als Nachfolger Max Fiedlers)...