Diskussion
Um das Hörspiel
Eine Diskussion
von Rolf Gunold
Erschienen in: Theater der Zeit: Objektive Kritik? (09/1946)
Es ist Hedda Zinner zu danken, dass seit langer Zeit wieder einmal ernsthaft und an auffallender Stelle über das Hörspielproblem gesprochen wird. Aber ihre Ausführungen hierüber können in einigen wesentlichen Punkten nicht unwidersprochen bleiben. Sie treffen meines Erachtens nicht den Kern des Problems.
Sie schreibt: „Es gibt noch kein Hörspiel, das als Kunst anzusprechen wäre. Darüber herrscht weitgehend Einigkeit.“ Am heutigen Stand der Hörspielkunst gemessen, ist das richtig; aber man muss das Problem geschichtlich betrachten.
Seit den Anfängen des Rundfunks, also seit ungefähr 1924, lässt das Hörspiel als Kunstform die interessierten Gemüter nicht zur Ruhe kommen. Es fesselt und reizt seine wenigen Pioniere immer von neuem. Die früh gefundene und planmäßig benutzte, zu dramatischer Steigerung aufgebaute „akustische Kulisse“ bildete das Muschelhaus, dem Klang und Rauschen des jungen, technisch bedingten Musenkindes entstiegen. Sie wirkte sich schon damals so schöpferisch aus, dass die orchestral angelegte Sprechpartitur des akustischen Dramas oder Hörspiels, wie es später getauft wurde, dem Drehbuch des Tonfilms als klassisches Vorbild diente. An dieser historischen Tatsache ist nicht zu rütteln. Damit war also der erste mutige Schritt in eine völlig neue Kunstwelt und Kunstgattung getan.
Aber es fiel den Jüngern dieser jungen Muse keineswegs ein, am Tore ihrer Erkenntnis stehen...