Kein anderer Autor hat den bürgerlichen Lebensstil, die Rituale, die Redensarten und nicht zuletzt auch den Utopieverlust der alten Bundesrepublik in ihrer Spätphase präziser erfasst, durchleuchtet und diagnostiziert als der 1944 im Osten des Landes geborene, aber im Westen sozialisierte Botho Strauß. Zunächst als blutjunger Kritiker bei Theater heute, später als Dramaturg bei Peter Stein an der Schaubühne am Halleschen Ufer, lernte dieser Hochbegabte den Umgang mit dramatischen Texten; sein Sensorium für Töne und Zwischentöne half ihm, seinerseits ein Stückeschreiber, und das heißt in diesem Fall: ein Verfasser hochenergetischer (und oft hochkomischer) Dialoge zu werden.
Manches von dem ist inzwischen schon wieder in Vergessenheit geraten, die Zeiten haben sich geändert. Das Schauspiel Köln machte sich die Mühe, ein frühes, nämlich das vierte Bühnenstück von Strauß, „Groß und klein“ aus dem Jahr 1978, auszugraben und der jungen Regisseurin Lilja Rupprecht anzuvertrauen; unabhängig davon, ob man das Ergebnis für mehr oder für weniger gelungen hält (für beides gibt es Gründe), ist allein das schon ein Verdienst. Strauß verlässt in diesem Stück erstmals den inneren Zirkel des Kunst- und Kulturbetriebs und stellt eine einzelne Figur in den Mittelpunkt: die Lotte aus Remscheid-Lennep, getrennt lebend, arbeitslos, auf einer sonderbaren, anscheinend von keiner Rationalität...