Elisabeth Maier: Der Kulturbahnhof ist ein einmaliges Bauprojekt. Das denkmalgeschützte Gebäude des alten Bahnofs hat die Stadt Aalen saniert, und damit für die Musikschule, das kommunale Kocher-Kino und das Theater neue Räume geschaffen. Im Oktober 2020 hat die Stadt das Haus eröffnet, in dem die kulturellen Aktivitäten zusammenlaufen. Hat denn dieser neue Raum es erst möglich gemacht, dass Ihre relativ kleine Bühne das Großprojekt Baden-Württembergischen Theater stemmen kann?
Tonio Kleinknecht: Die Idee, bei uns die Theatertage zu veranstalten, kam schon 2018 bei einer Jahreshauptversammlung des Deutschen Bühnenvereins auf. Damals war schon klar, dass es dieses Gebäude geben wird. Ohne Kulturbahnhof wäre es enorm schwierig geworden, diese Großveranstaltung mit 34 Inszenierungen von 29 Häusern zu realisieren. Weil der Kulturbahnhof im Fokus stehen sollte, war auch der damalige Oberbürgermeister Thilo Rentschler relativ leicht für das Projekt zu begeistern. Er hat das Kulturhaus auf den Weg gebracht, was ein kulturpolitischer Meilenstein war- Der historische Bau steht im Zentrum eines neuen Stadtviertels rund um den Georg-Elser-Platz. Die Theatertage sind auch für die Stadt Aalen ein Motor. Damit bringen wir Leben in das Gebäude und in die Stadt.
EM: Das Besonders am Kulturbahnhof ist, dass sich mehrere Kulturinstitutionen das Gebäude teilen. Sind sie auch in das Festival eingebunden?
TK: Diese Chance nutzen wir. Sehr viele Gespräche, die Sitzung des Bühnenvereins am Anfang der Theatertage und den von Harald Müller von Theater der Zeit kuratierten Stückemarkt werden wir im Kino abhalten. Die Musikschule Aalen macht vor jeder Aufführung einen musikalischen Empfang. Und im Foyer spielen täglich Bands. Da arbeiten wir mit dem Jazzfest zusammen. Neben Bands aus der Region spielen auch Musikerinnen und Musiker von den Theatern.
EM: Mit 69 000 Einwohner:innen ist Aalen eine kleinere Stadt. Zwar hat das Theater einen guten Namen und zieht viel Publikum aus dem Ostalbkreis und der Region an , wie wollen Sie die Zuschauer:innen nun aber für ein so großes Festival begeistern und die Säle füllen?
TK: Um das Haus hier machen wir uns keine Sorgen, da sind die Vorstellungen schon gut gebucht. Herausfordernd wird es, die Stadthalle zu füllen. Die Chance, Gastspiele aus dem ganzen Land zu sehen, werden sicher viele Zuschauer:innen nutzen. Wir werben bewusst auch über die Stadt hinaus für die Theatertage. Für die Tanzproduktionen „No Tears Left To Cry“ vom Theater Heidelberg und „Nurejew“ vom Theater Pforzheim bekommen Tanz- und Ballettschulen vergünstigte Tickets. Bei unserer Premiere „Woyzeck“, die im Rahmen des Festivals steigt, kooperieren wir mit den Opernfestspielen Heidenheim. So sprechen wir Publikum im ganzen Ostalbkreis an. Das Festival ist eine Chance, mehr Menschen auch außerhalb der Stadt anzusprechen. Wir wollen das Theater mit der Region vernetzen.
EM: Das Motto der 26. Baden-Württembergischen Theatertage lautet „Täglich Kunst“. Wie setzen Sie dieses Leitmotiv in der Konzeption des Festivals um?
TK: In der Stadt sind wir nicht nur mit großen Plakaten und Flyern präsent. Unser Informationsstand in der Innenstadt gibt den Menschen täglich die Möglichkeit, sich über das Festival zu informieren. „Täglich Kunst“ bedeutet für mich, die Bedeutung der Künste für die Gesellschaft hervorzuheben. Unsere Arbeit ist wichtig für die Demokratie. Mitglieder des Kunstvereins haben im Alten Rathaus eine Ausstellung mit Arbeiten eröffnet, die dieses Thema ästhetisch weiterdenken.
EM: Bei den Theatertagen setzen Sie auch auf ein neues Format. Ein Beispiel ist der Stückemarkt. Harald Müllerkuratiert die drei Veranstaltungen mit den Autorinnen Theresia Walser, Anastasiia Kosodii aus der Ukraine und Matin Sofipour Omam aus dem Iran. Was hat Sie da inspiriert?
TK: Die Idee kam von Harald Müller. Wir haben ja hier in Aalen einen wichtigen Literaturpreis, den mit 20000 Euro dotierten Schubart-Preis. Da kam neue Dramatik bisher nicht vor. Wir haben aber schon lange im Hinterkopf, da neue Stücke auch zu betrachten. Wichtig war uns, bei der ersten Auflage im Rahmen der Theatertage Baden-Württemberg, Dramatikerinnen in den Blick zu nehmen. Und es ging uns darum, den Blick über Deutschland hinaus zu lenken und die internationalen Krisen zu betrachten. Deshalb fiel die Auswahl auf die Autorinnen aus der Ukraine und aus dem Iran. Im Kocher-Kino lesen Ensemblemitglieder jeweils zwanzig bis dreißig Minuten aus den jeweiligen Stücken. Dann wird Harald Müller mit den Autorinnen über ihre Stücke und über ihre Arbeit sprechen. Natürlich hat das Publikum dann auch die Möglichkeit, Fragen zu stellen und die Arbeit der Dramatikerinnen kennenzulernen. Gerade hier ist die Begegnung mit Autor:innen für unser Publikum wichtig.
EM: Im Programmheft heißt es „klimafreundliche Theatertage“. Wie setzen Sie dieses Konzept um?
TK: Unser Ziel ist es, gemeinsam über Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit nachzudenken. Für die Theaterschaffenden wird es einen Workshop mit dem Bühnenbildner Ralph Zeger geben, der über nachhaltige Ausstattung spricht. Da wünsche ich mir Impulse für die praktische Arbeit der Bühnen. Wir sollten gemeinsam darüber nachdenken, wie mal Bühnenbilder zum Beispiel neu verwerten und auch weiter entwickeln kann. Die Besucherinnen und Besucher haben die Möglichkeit, ihre Fahrten zum Festival zu kompensieren.