Theater der Zeit

Magazin

Ein Mann wie ein Fragezeichen

Zum Tod des Schauspielers Thomas Holtzmann

von Christoph Leibold

Erschienen in: Theater der Zeit: Übermaß und Aberwitz – Der Schauspieler Bernd Grawert (02/2013)

Für mich schien er immer schon da gewesen zu sein. Ein Bühnenstar. Und der erklärte Lieblingsschauspieler meiner theaterbegeisterten Mutter, die von seinem faltendurchfurchten Gesicht schwärmte, das so aussah, „als sei es geschnitzt“. Tatsächlich scheint das Wort „Charakterkopf“ wie für Thomas Holtzmann erfunden. Nicht minder markant: seine knarzige Stimme und eigenwillige Diktion. Als würde er die Worte zerkauen, ehe er sie aussprach. Nicht, um Großes klein und leicht verdaulich zu machen, wohl aber um es auf menschliches Maß zu bringen. So wie er sich selbst – hoch aufgeschossen und als junger Mensch wohl wie geschaffen für die klassischen Helden – immer ein wenig kleiner machte in seiner so typischen geduckten Holtzmann-Haltung: die Arme hinterm Rücken verschränkt, den Kopf zwischen die Schultern gezogen. Ein Großschauspieler, aber eben frei von jeder Großspurigkeit, die sich manche Granden im Laufe langer Karrieren zulegen. Thomas Holtzmann leistete sich Understatement, nicht nur weil er es sich leisten konnte. Bei ihm war es Lebens- und Kunsteinstellung. Jedenfalls habe ich das stets so empfunden, anderthalb Generationen jünger. Als ich Holtzmann erstmals bewusst erlebte, ging er bereits auf die sechzig zu. In Shakespeares „Troilus und Cressida“ war das, Mitte der 80er Jahre an den Münchner Kammerspielen. Inmitten reichlich angejahrter Kämpfer...

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