Unter den Fittichen der Eule der Minerva: Potenziale der (Hegel’schen) Ästhetik
von Julius Heinicke
Erschienen in: Recherchen 148: Sorge um das Offene – Verhandlungen von Vielfalt im und mit Theater (05/2019)
Das Kapitel abschließend lässt sich zusammenfassen: Auf der Suche nach Möglichkeiten einer Theoretisierung einer Ästhetik für das Theater der kulturellen Vielfalt unserer Zeit sind die Bezüge zu Hegels Schriften und Überlegungen erhellend, da in Hegels Philosophie und Ästhetik die Ambivalenz im Verhältnis von Kunstschaffen und Herrschaft seit der Aufklärung und der Kolonisierung deutlich zutage tritt. Das Kapitel begann mit einem historischen Blick auf das koloniale und bürgerliche Theater, um zu verdeutlichen, inwieweit Theater für politische-gesellschaftliche Strategien (aus)genutzt wurde und welche abendländische Systematik der dichotomen Differenz sich dahinter verbirgt. Der Hinweis auf die Verbannung der Trickster und Zanni von den kolonial-bürgerlichen Bühnen hat gezeigt, inwieweit alles, was sich nicht nach dem logos und der ratio der Aufklärung und ihrem Erkenntnismodell beschreiben und begreifen lässt, systematisch als das Andere degradiert wird. Diese Denk- und Dichotomisierungsweisen – welchen der westliche Fortschrittsgedanke ebenso immanent ist – lassen sich exemplarisch mit der Hegel’schen Phänomenologie, insbesondere mit dem Modell des Herrn und Knecht, beschreiben. Es verwundert demnach nicht, dass afrikanische Philosophen im Zuge der Dekolonisierung sich besonders intensiv mit seiner Philosophie auseinandersetzen. Unter anderem Mbembe und von Braun zeigen, dass sich die treibende Kraft sowohl des abendländischen Fortschritts- als auch des Degradierungsgedankens aus dem dialektischen...