Tradieren, reformieren, neu konstituieren
von Rainer Simon
Erschienen in: Recherchen 101: Labor oder Fließband? – Produktionsbedingungen freier Musiktheaterprojekte an Opernhäusern (02/2013)
Freie Musiktheaterproduktionen müssen überraschen, so Heiner Goebbels. Vieles, was zu Beginn festzustehen scheint, kann sich auf dem Weg bis hin zur Premiere verändern. Ähnliches gilt sicherlich auch für wissenschaftliche Studien – zumal, wenn sie zum Großteil auf Interviews basieren. Versetze ich mich noch einmal an den Anfang meines Interviewparcours’ zurück, so muss ich feststellen, dass ich mit einer Vielzahl an Erwartungen und Antworten, die mich zu dieser Untersuchung angetrieben haben und die ich von meinen Interviewpartnern auch in einer gewissen Eindeutigkeit bestätigt wissen wollte, in die Gespräche gegangen bin: Das traditionelle Ensemblekonzept lässt sich mit freien Produktionen vereinbaren; der Repertoirebetrieb nicht! Vom Beginn der Gespräche über deren Transkription bis hin zum Verfassen dieses Kommentars hat sich diese Eindeutigkeit stetig verflüssigt. Zu verschieden waren die Positionen, zu überzeugend deren jeweilige Begründungen. Angenommene Unvereinbarkeiten stuften die Befragten auf einmal als vereinbar ein und umgekehrt. Das Ergebnis: Die Äußerungen der Gesprächspartner erlauben keine einstimmigen Aussagen über die Kompatibilität oder Inkompatibilität der einzelnen traditionellen Produktionsparameter mit den Produktionsbedingungen freier Musiktheaterprojekte. Stattdessen zeichnen sie ein sehr heterogenes, zum Teil kontroverses, jedoch in jedem Fall vielschichtiges und differenziertes Bild von den Möglichkeiten, freies Musiktheater an traditionellen Opernbetrieben zu produzieren. Im Folgenden werde ich diesem bunten Bild...