Die Verlängerten
Sozialisierung von Autorschaft im Theater
von Kai van Eikels
Erschienen in: Recherchen 155: TogetherText – Prozessual erzeugte Texte im Gegenwartstheater (12/2020)
I. Autorschaft und Zusammenarbeit: Das alte Modell mit seinen Folgen
Das Performative hat im Theater seinen Ort traditionellerweise dort, wo ein Text, den ein*e Dramatiker*in verfasst hat, zur Aufführung gebracht wird von einem Ensemble aus Schauspieler*innen mithilfe von Personen, die Regie, Dramaturgie, Bühnenbild, Kostüme, Licht, Sound usw. übernehmen. Diese Tradition geht auf die Literarisierung des Theaters im späteren 18. Jahrhundert zurück: Das Schreiben des Stückes gilt seither als schöpferischer Akt, als Urhebung eines künstlerischen Gebildes, das als solches, als Text, für sich bestehen kann. Wie bei Romanen, Kurzprosa oder Gedichten gäbe es auch eine Performativität des Textes zu entdecken, die sich in der Lektüre zuträgt, und auch diejenigen, die eine Aufführung erarbeiten, sind zunächst Lesende. Den Theaterleuten obliegt es dann jedoch, diesen Text in Performance zu überführen, und dazu muss man ihn erst einmal aus seiner literarischen Selbständigkeit herausholen, eine Reihe subtiler oder auch recht brachialer Profanierungen mit ihm vollziehen, bis die Satzmasse zum Material für eine Theateraufführung taugt. Selbst die ›textgetreuste‹ Inszenierung (was immer diese Abonnentenvokabel besagt) muss die Performativität des Textes, wie sie im Lesen zur Wirkung kommt und sich der reflexiven Lektüre erschließt, verdrängen, aus dem Feld drängen und ein anderes Performatives an deren Stelle setzen.
Die...