Das Hören und Sehen organisieren
Die Angewandte Theaterwissenschaft
von Heiner Goebbels
Erschienen in: Recherchen 96: Ästhetik der Abwesenheit – Texte zum Theater (08/2012)
Für welches Theater bilden wir aus? Theater als Labor oder Museum? Um falsche Polarisierungen zu vermeiden und Missverständnissen vorzubeugen: Ich liebe Museen. Es sind Schutzräume, die wir in Zeiten der medialen Attacke mehr und mehr brauchen. Und auch das Theater kann ein Schutzraum sein, ein Museum für unsere Wahrnehmung, für all die Qualitäten, die uns verloren gehen können, für das entdeckende Sehen und Hören zum Beispiel. „Ein Museum der Sätze“, wie Canetti es einmal formuliert hat, ein Museum der Sprache, und nicht nur unserer eigenen.
Der Laborbegriff dagegen stammt in diesem Zusammenhang eigentlich von Klaus Völker, der bei einer Podiumsdiskussion vor einigen Jahren in Frankfurt unter dem großen Beifall der damaligen Schauspiel- und Regiestudenten sagte, eine Schauspielschule sei nicht dafür da, Labor für ein Theater der Zukunft zu sein. Da bin ich allerdings anderer Meinung.
Für die Ausbildung am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft der Justus-Liebig-Universität in Gießen gilt gerade der Anspruch auf Forschung, damit die Studierenden vorbereitet sind auf die zunehmende Komplexität der darstellenden Künste, die sie erwarten wird. Das heißt auch, sie auf eine künstlerische Herausforderung vorzubereiten, von der wir jetzt noch nicht wissen, wie sie aussehen mag.
Natürlich gibt es Handwerk im Theater, im Tanz, in der...