Magazin
Weg von hier
Wie dem Berliner Gefängnistheater aufBruch in seinen zwei neuesten Produktionen der Ausbruch gelingt – als Aufbruch aus dem Gewohnten
von Mehdi Moradpour
Erschienen in: Theater der Zeit: Je suis Charlie (02/2015)
Aufbrechen ist auseinanderbrechen. Es setzt eine Öffnung voraus. Es geht einher mit einem Bruch, einem Sich-Aufreißen, -Enthäuten und -Zerlegen. In Kafkas „Der Aufbruch“ möchte der Ich-Erzähler den Ort verlassen, in dem er wohnt. „Weg von hier“, sagt er, „die Reise ist so lang, daß ich verhungern muß, wenn ich auf dem Weg nichts bekomme.“ Fortgehen und unterwegs sein, das ist sein Ziel, auf das Gewohnte verzichten, auf Diener und Privilegien. Die Gewohnheit ist eine Decke, sie deckt alles zu, so Vilém Flusser. Man muss aus dem Gewohnten heraustreten, will man das Gewöhnliche überhaupt erst sehen. Gefahren sind dabei produktive Kollateralschäden.
Utopien sind keine gewohnten Räume. Gewiss aber Heterotopien wie Gefängnisse, in denen die Freiheitsstrafe vollzogen wird. Das Bestrafungsritual soll laut Strafgesetzen präventiven Zwecken hinsichtlich des Täters und zugleich auch der Allgemeinheit dienen. Auch die exkludierte Gefängnisgemeinschaft kann sich eines Rituals wie Theater bedienen, um in die Räume des Utopischen zu tauchen, ins Ungewohnte im gewohnten Gefängnis.
Das Berliner Theaterprojekt aufBruch versucht, mit zwei neuen Projekten ordnungssystematische Prozesse und Kreisläufe in der Gesellschaft zu durchleuchten. Nach einem Schreibworkshop mit den Autoren Mariana Leky und Martin Jankowski (Berliner Literarische Aktion e.V.), in dem Gefangene in der JVA Plötzensee in Eigenverantwortung Texte entwickeln,...