Simulacren des Lebendigen
Figuren, Körper und Objekte in den Arbeiten von Gisèle Vienne
Erschienen in: Arbeitsbuch 2018: Der Dinge Stand – Zeitgenössisches Figuren- und Objekttheater (06/2018)
Seit ihren Anfängen im Jahr 2000 stützt sich die Arbeit der französisch-österreichischen Bühnenbildnerin und bildenden Künstlerin Gisèle Vienne auf die Idee, dass die Schauspieler*innen (oder Tänzer*innen) nicht allein die treibenden Kräfte einer szenischen Aufführung sind und dass die Beschaffenheit einer Bühnenfigur getrennt von ihrer menschlichen Verkörperung betrachtet werden kann. Die Erweiterung, die sich dadurch in Bezug auf den Begriff des Verkörperns selbst auftut, berührt uralte Ängste (die seit dem Golem im jüdischen Mystizismus verbreitete oder die vor den Statuen des Dädalus) ebenso wie aktuellste Spekulationen um Androide und künstliche Intelligenz. Das beschäftigt die Kunst seit mehr als einem Jahrhundert. So zeigte 2014 die Ausstellung „Doppelgänger. Die Puppe in der Moderne“ in Halle an der Saale Gisèle Viennes fotografische Aufnahmen von Puppen neben Werken von Hans Bellmer, Oskar Kokoschka, Giorgio de Chirico und Francis Bacon. Tatsächlich geht Viennes Interesse an dem künstlerischen Potenzial ihrer „Objekte“ auf „La Poupée“ von Bellmer zurück. Die Hand- und Gliederpuppen, mit denen sie arbeitet, nennt sie gern „poupées“ und spielt dabei mit den Bedeutungen des französischen Wortes „poupée“ (Spielzeugpuppe) und dem Namen, den man Theaterpuppen (im französischen Original „marionnettes“, Anm. d. Übers.) im Deutschen („Puppe“) oder Englischen („puppet“) gibt. Sei es die Tatsache, dass einige...