Allein leben und älter werden
von Bruno Flierl
Erschienen in: Selbstbehauptung – Leben in drei Gesellschaften (05/2015)
Mein Leben in der Gesellschaft der Bundesrepublik führte mich noch mehr in die „Alleinsamkeit“, als sie schon für mein zurückliegendes Leben bestimmend war, ganz einfach, weil ich keine Gemeinsamkeit mit ihr fand und zudem meine Kräfte nachließen und die realistische Aussicht schwand, mich wirksam für Veränderungen einzusetzen. Ich akzeptierte das philosophisch durchaus, praktisch jedoch nicht. Noch immer versuchte ich, auf meine Weise dabei zu sein, mich einzumischen, in der Hoffnung, doch noch einiges bewirken zu können. Bei solcher noch immer vorhandenen Produktivität hätte ich auch gern eine Frau gehabt, als Partnerin in meinem sich so sehr verändernden gesellschaftlichen Umfeld.
Lily hatte für ein solches Zusammenleben in der neuen Zeit nach der DDR jedoch keine Kraft mehr. Nachdem sie Ende 1989 ihren Arbeitsplatz im Theater der Volksbühne im politischen Protest gegen die Partei – mit Austritt im September 1989 – aufgegeben und eine Arbeit im Henschelverlag angenommen hatte, erlebte sie sich wie aus dem Leben geworfen. Obwohl sie ja schon längst im Rentenalter war, hätte sie doch gern weitergearbeitet. Stattdessen musste sie zu Hause bleiben, wo ich sie täglich besuchte und betreute. Zwischendurch ging es ihr aber auch immer wieder recht gut. In einer solchen Pause ihrer Krankheit waren wir 1992...