3.3. Traum und Allegorie
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)
Lektürebeispiele wie die »Genitalien« haben Freuds »Traumdeutung« natürlich immer wieder den Vorwurf des unwissenschaftlichen Analogieschlusses eingetragen. Dem ist jedoch zunächst einmal entgegenzusetzen, dass der Vorwurf des Analogieschlusses von jener neuzeitlichen rationalistischen und objektivistischen Position aus formuliert ist, die ihre eigene stumme Voraussetzung nicht weiter befragen will – nämlich die Tatsache, dass sie das Material, das sie nach der Ordnung der Identität vergleicht und interpretiert, notgedrungen zunächst nach »unwissenschaftlichen« und »subjektiven« Kriterien der Ähnlichkeit herausgreift und in Beziehung setzt. Demgegenüber ergibt sich Freuds methodisches Vorgehen notwendig aus dem historisch beschreibbaren Absinken bzw. der rationalistisch begründeten Verdrängung der Ähnlichkeitswahrnehmung auf die »dunkle« Rückseite des Subjekts.
Was Freuds Technik der Traumlektüre des Weiteren bisweilen willkürlich oder beliebig erscheinen lassen mag, ist die Tatsache, dass sich aus den entleerten Ähnlichkeiten kein stabiles und universelles Zeichensystem mehr ergibt, sondern eines, das sich in jedem Träumer je nach Zusammenhang neu und anders organisiert und auflädt und das deswegen eben auch immer wieder anders entziffert werden kann und muss. Freud schreibt einmal:
Der Trauminhalt ist gleichsam in einer Bilderschrift gegeben, deren Zeichen einzeln in die Sprache der Traumgedanken zu übertragen sind. Man würde offenbar in die Irre geführt, wenn man diese Zeichen nach ihrem Bilderwert anstatt nach...