Hanno Rauterberg rührt mit seinem Essay „Wie frei ist die Kunst?“ an ein Thema, das gerade in den letzten Jahren die Feuilletons beschäftigt hat. Über weite Teile gleitet der Essay geschmeidig vom halbherzigen Einerseits hinüber zum Andererseits. Bei aller Mühe, die sich Rauterberg gibt, als selbst nicht verorteter Beobachter über dem Schlachtfeld zu schweben: Das Festhalten am bürgerlichen Kunstbegriff und die Genervtheit von der viel beschworenen „politischen Korrektheit“ lassen sich durchaus ausmachen. In eine ähnliche Kerbe schlägt die obligatorische Rede von der Neuheit des Kulturkampfs. Die alarmistische Konzentration auf das Neue am Schlechten lässt wiederholt das Bild von einer unproblematischen Vergangenheit der „freien“ Kunst aufscheinen. Im Rückblick auf die von Rassismus, Imperialismus, kapitalistischer Ausbeutung und Kriegen geprägte Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts ist das schwer nachvollziehbar. Gerade Künstler der guten alten Moderne, die Rauterberg als Kontrastmittel gegen die „Digitalmoderne“ in Stellung bringt, haben das bürgerliche Kunstverständnis samt Kunstfreiheit immer wieder angegriffen und sich oft konsequent auf der Seite der Anti-Kunst, politischen Kunst oder Populärkultur verortet. Erst in Wechselwirkung mit einem ordentlichen öffentlichen Skandal konnte ihr Anspruch gesellschaftszersetzender Wirkkraft als eingelöst gelten.
Ist das „Neue“ also wirklich die öffentliche Erregung und Politisierung – der Kulturkampf –, oder handelt es sich...