Kennengelernt hatten wir uns bei einer Podiumsdiskussion über die Position von Frauen im Theater. Das war Mitte der achtziger Jahre, und sie war die berühmteste deutsche Gegenwartsdramatikerin, viel gespielt, auch international. „Sonntagskinder“, 1976 in Stuttgart herausgekommen, war ein Riesenerfolg. Aber vorher gab es schon „Doppelkopf“ und „Leben und Tod der Marilyn Monroe“, beides eher experimentelle Stücke und ihrer Zeit weit voraus in Form und Inhalt.
„Sonntagskinder“ war ein „normales Stück“, und war doch so anders als die „normalen Stücke“ der Männer. Der „weibliche Blick“, damals ein Lieblingsthema des Feminismus, konnte dort wie im Lehrbuch studiert werden. Die Beschreibung der Nachkriegszeit machte sich hier nicht am Großen fest, sondern an vielen kleinen Details – ein Blick von unten gewissermaßen, dessen scharfe Beobachtungen gebündelt wurden zu einem vielschichtigen Gesamtbild aus Wiedererkennen und Explosion.
Begonnen hatte Gerlind Reinshagen mit Hörspielen, doch dann reichte ihr das nicht mehr: „Ich wollte sehen, was geschieht, statt es mir immer nur vorzustellen“, hat sie mal zu mir gesagt. Das Sichtbarmachen war ihr Thema in vielen Varianten, ob es um gesellschaftliche Tabus ging, um Familiengeheimnisse oder verfälschte Erinnerung. Ibsens „Lebenslüge“ ist wie der dröhnende Nachbar zu diesen leise beharrlichen Tönen aus Melancholie und Verzweiflung.
Seit Else Lasker-Schüler und...