Bericht
Milei als Fanal
Neue Wege der Kulturpolitik lateinamerikanischer Länder
Erschienen in: Theater der Zeit: ¡Adelante! – Theater aus Iberoamerika (02/2024)
Assoziationen: Südamerika
Das lateinamerikanische Theater hat in den zweihundert Jahren seiner Geschichte eine Vielzahl politischer Formen entwickelt, um die komplexe Situation des Kontinents wiederzugeben. Die Begegnung mit dem Theater Bertolt Brechts erlaubte es in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, politische Ansätze zu vertiefen und stärker theoretisch zu untermauern. Besonders in der historischen Phase des Aufkommens der lateinamerikanischen Diktaturen wandten Künstler immer raffiniertere Strategien an, um mit ihrer künstlerisch-politischen Arbeit Diktaturen und Völkermord zu überstehen. Doch nachdem die verfassungsmäßigen Rechte einmal außer Kraft gesetzt waren, nahmen die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der gesamten Region schnell zu, und die Zahl verschwundener Menschen (Entführungs- und Folteropfer, deren Körper man verschwinden ließ) stieg schmerzhaft an – unter ihnen auch viele Künstler:innen. Zu dieser Tragödie kam noch das Exil, ein Phänomen, das sich selbstverständlich auch auf die Kunstwelt ausgewirkt hat: Künstler:innen, die gezwungen waren, im Ausland zu leben, knüpften berufliche und persönliche Verbindungen zu Künstler:innen aus anderen Breitengraden und kamen so mit einer anderen Poetik in Berührung als in ihren Herkunftsländern. Diese Begegnungen sollten später ihren Einfluss entfalten, als die Diktaturen endeten und eine Rückkehr in die neu entstehenden Demokratien für Künstler:innen attraktiv wurde. Seinen politischen Charakter hat das Theater in der Region seitdem beibehalten,...